Blutfeuer
dem Rauchen aufgehört!«
Wie bitte? Ute von Heesen verschlug es die Sprache. Ihr Bernd hatte
mit dem Rauchen aufgehört? Sie war perplex und sprachlos. Bevor sie sich wieder
gefangen hatte, hörte sie noch ein: »Na dann, dann … bis in einer Woche,
Schatz«, dann wurde aufgelegt, und das Freizeichen ertönte. Ute von Heesen
blickte verblüfft und ungläubig auf das Handy. Der Typ war ja noch verklemmter
als eine verrostete Kühlschranktür! Mit dem Rauchen aufgehört? Seufzend
schüttelte sie den Kopf und stopfte das Handy zurück in die kleine
Spezialtasche an ihrem Rucksack. Da würde noch ein ganzer Haufen Arbeit in der
Beziehung zu diesem Mann auf sie zukommen. Sie trat ans Fenster der
Schlafkammer, die sich im ersten Stock der Hütte befand. Ihr Blick ging nach
Süden, wo man in der Ferne schon eine tiefschwarze Wolkenwand erkennen konnte.
Lagerfeld legte sein Handy mit schweißnassen Händen zurück auf den
Beifahrersitz, um erst einmal eine Zigarette zu rauchen. Er konnte es einfach
nicht. Das war nicht seine Welt, dafür war er nicht geboren. Ute wusste doch,
dass er sie liebte, das musste er ihr doch nicht dauernd ins Ohr säuseln. In
seiner Aufregung hatte er ihr auch noch diese Wette gebeichtet. War er denn
komplett wahnsinnig? Und alles nur wegen der Verabschiederei.
Dieses Süßholzgeraspel machte ihn noch fix und fertig. Zitternd
schüttelte er die letzten drei Zigaretten aus der Packung, die er sich nach der
Befragung von Frau Kleinhenz gekauft hatte, um nervlich wieder auf Normalnull
runterzufahren. Scheiß auf die Wette. Wenn er in die Dienststelle zurückkam,
hatten sowieso alle den kleinen Zwischenfall vergessen. Hauptsache, den Mädels
ging es gut und sie waren für die Nacht sicher. Offensichtlich musste er sich
um sie keine Sorgen machen. Eher schon um sich selbst und sein flatterndes
Nervenkostüm. Er brauchte etwas zum Abreagieren. Eine anspruchsvolle Freundin,
sinnlose Rentnerleichen, Raucherwetten, ein schlecht gelaunter Chef. Ein
zynisches Lächeln breitete sich auf Lagerfelds Gesicht aus, während er den
ersten tiefen Zug inhalierte. Er blickte sich um und studierte die
vorbeigehenden Personen. Am besten würde er erst einmal jemanden verhaften. Das
half immer.
*
»Jonathan, wo bleibt denn des Blut?« Felgenhauer war außer sich. Es
war der Jahreshöhepunkt in Mürsbach, und er lag weit hinter seinem Zeitplan
zurück. Der Presssack sollte doch schon längst im Wurstkessel köcheln. Einfach
undenkbar, dass er ausgerechnet am Tag der Wahl der »Miss Presssack« mit seiner
Wurst nicht fertig werden sollte. Und der rote Presssack gehörte nun einmal
dazu. Das war schon immer so in Franken. Es gab einen weißen und einen roten
Presssack. Das war wie Yin und Yang, wie Dick und Doof, wie Bayern und CSU . Aber sein Metzgergeselle, der die
acht Ferkel abstechen und das Blut für den roten beibringen sollte, war
plötzlich spurlos verschwunden. Der Meister blickte wutschnaubend auf seine Uhr
und beschloss, noch einmal die Tiefen der Metzgerei nach Jonathan zu
durchkämmen. Irgendwo musste dieser unfähige Knilch doch zu finden sein! Wütend
warf er seine Schürze in die Ecke und stapfte los.
Jonathan war nervös. Die Zeit wurde langsam knapp. Sein Blick
schweifte voller Liebe über die acht Spanferkelchen, die sich in dem kleinen
Gehege ins Stroh kuschelten. Bei Bauer Nöth, in dessen Stall schon etliche
Todeskandidaten aus der Metzgerei Felgenhauer ihr Gnadenbrot fristeten, waren
sie sicher. Bis jetzt hatte er es noch immer geschafft, ein entsprechendes
Substitut für die armen Viecher zu besorgen. Bei dem Gedanken flog sein Blick
wieder zur Kuh Josephina und zum Tierarzt hinüber, der seinen Arm bis zur
Schulter in Josephinas Hinterausgang versenkt hatte.
»Es hilft nix«, sagte er mit entschlossenem Blick. »Blutiger Urin
ist kein gutes Zeichen. Ich werde wohl die Blase punktieren müssen.« Er zog den
Arm aus Josephinas Eingeweiden, der man sogleich die Erleichterung ansehen
konnte, dann nahm der Tierarzt eine lange, dicke Nadel aus seinem
Instrumentarium und punktierte schnell und zielgenau die Blase der Kuh.
»Na also«, brummelte der Landdoktor zufrieden, als die blutrote
Brühe in einem kleinen Strom in den Melkbehälter aus Edelstahl floss.
»Gleich geht’s dir wieder besser, altes Mädchen«, sprach Jonathan zu
der Kuh und tätschelte ihr beruhigend den Rücken. »Sagen Sie, Doktor, brauchen
Sie das Zeug da noch?«, fragte er dann und deutete auf den Edelstahlbehälter,
der
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