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Blutfeuer

Titel: Blutfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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Bürger der Gemeinde Mürsbach bissen synchron in ihr
Presssackbrot, während Staatssekretärin Monika Schlagbauer das Brotmesser aus
der Hand fiel.
    Allerdings blieb ihr keine Zeit mehr, über dieses unverhoffte
Angebot zur Abendgestaltung nachzudenken, denn die Mürsbacher Feuerwehrsirene
drang plötzlich mit einem heulenden Ton lautstark durch die Wirtshauswände. Im
gleichen Moment wurde die Saaltür aufgerissen, und der Feuerwehrhauptmann der
Rattelsdorfer Wehr, Wompesch, stand atemlos und tropfnass vor der versammelten
Gemeinde.
    »Los, alle raus hier!«, rief er, während weitere Feuerwehrmänner in
den Saal rannten. »Wir haben eine Tornadowarnung, los, sofort alle raus hier!
Sofort!«
    *
    Franz Haderlein war mit Riemenschneider auf dem Rückweg von
Neuendettelsau, als er die bekannt merkwürdigen Geräusche im Motorraum seines
Fiat Multipla wahrnahm. Außerdem hatte es angefangen zu regnen. Was heißt schon
zu regnen, das waren Sintfluten, die auf ihn vom Himmel fielen. Die
Scheibenwischer seines Wagens versuchten zwar tapfer, für freie Sicht zu
sorgen, mussten sich aber schließlich geschlagen geben. In Hirschaid
kapitulierte Haderlein und suchte mit Riemenschneider eine Wirtschaft auf, um
dort das Ende des Unwetters abzuwarten. Allein die zehn Meter vom Parkplatz bis
in die Wirtsstube des »Krugs« an der Regnitzbrücke hatten ausgereicht, ihn von
oben bis unten zu durchnässen. Da hatte es Riemenschneider einfacher. Schütteln
im Hausflur reichte, und das Ferkel war wieder trocken. In der Stube bestellte
Haderlein erst einmal eine Ochsenbrust für sich und ein paar Kartoffeln für
Riemenschneider. Er hatte jetzt Feierabend und würde es hier so lange
aushalten, bis das Unwetter vorbei war. Da konnte es draußen toben und stürmen,
wie es wollte, irgendwann würde es auch wieder aufhören. Er lächelte der
Riemenschneiderin zu, die bereits genüsslich ihre gekochten Kartoffeln kaute,
und nahm einen ersten, tiefen Zug Bier. Hauptsache, er kam heute noch
irgendwann in sein Bett.
    Plötzlich hörte er von draußen ein Krachen. Sämtliche Gäste stürzten
zu den Fenstern. Im Licht der Straßenlaternen war nur noch zu erkennen, dass
alle möglichen Dinge waagerecht durch die Landschaft befördert wurden. Auch die
Ursache des Krachs war sofort erkennbar. Das Behelfsblechdach einer
Baustellenbude war vom Sturm hochgehoben worden und steckte nun senkrecht im
Anhänger eines geparkten Lastwagens der Baufirma. Der immer stärker werdende
Wind wirbelte immer größere Gegenstände die Straße hinunter. Haderlein hoffte,
dass sein Wagen halbwegs sicher unter der alten Dorflinde stand und ihn die
umherfliegenden Geschosse nicht finden würden. Linden sollst du finden, von
Eichen sollst du weichen, hatte seine Mutter immer zu ihm als Kind gesagt.
Bisher war das ein guter Tipp gewesen. Seufzend setzte er sich wieder auf
seinen Stuhl und aß an seinem Meerrettich. Gerade als er eine Gabel voll
Ochsenfleisch zum Mund führen wollte, krachte es wieder. Diesmal ganz in der
Nähe.
    Haderlein stürzte in böser Vorahnung zum Fenster. Was er sah, ließ
ihn alle Schlafenspläne für die nächsten Stunden vergessen. Das riesige
Wurzelwerk der alten Dorflinde war aus seinem jahrhundertealten Standort
gehebelt worden, und die umgestürzte Krone hatte ihr mächtiges Haupt auf
Haderleins fahrbaren Untersatz gebettet. Den Fiat Multipla konnte man
allerdings nicht mehr als fahrbar bezeichnen. Das Auto war platt wie eine
Marmeladencrêpe.
    *
    »Das ist die Strafe der Erde«, hörte Lagerfeld eine Stimme neben
sich und drehte sich um. Der selbst ernannte Oberprediger der seltsamen Truppe,
Daniel Brosst, hatte sich neben ihn gestellt und ließ seinen Blick
bedeutungsvoll über das sich nun langsam verdunkelnde Maintal schweifen. »Die
Menschheit hat genug gesündigt, das Maß ist voll. Babylon wird untergehen.«
    Wie um die nebulöse These zu bekräftigen, krachte ein Blitz aus
einer nicht mehr allzu weit entfernten, monströsen Gewitterwolke. Die
Wolkenformationen hatten nach unten merkwürdige Blasen ausgebildet, während der
Wind jetzt aus verschiedenen Richtungen zu kommen schien. Lagerfeld hatte so
etwas noch nie erlebt. Bei der eigenartigen Stimmung durchrieselte ihn ein
merkwürdiger Schauer. Immer mehr der Kuttenträger gesellten sich zu ihnen und
ließen den Blick Richtung Westen schweifen.
    »Seht!«, konnte Lagerfeld Daniel Brosst hören. Dann streckte dieser
seinen rechten Arm aus und deutete in die gleiche Richtung, in der

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