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Blutfeuer

Titel: Blutfeuer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut Vorndran
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Anopheles
    In den frühen Morgenstunden
traf ein völlig übermüdeter Haderlein in einem Taxi mit Riemenschneider im
Gepäck in der Dienststelle ein. Die letzte fürchterliche Nacht hatte er auf dem
Fußboden der Hirschaider Wirtschaft verbracht, genau wie viele andere
Leidensgenossen auch. Als der Sturm in den Mitternachtsstunden abgezogen war,
war auf den Straßen draußen der Teufel los gewesen. Überall Polizei, Sanitäter
und Notärzte. Alles, was sich ein Blinklicht aufs Autodach setzen konnte, war
unterwegs gewesen. Entweder, um die Verkehrswege frei zu räumen oder um sich um
Verletzte, Eingeklemmte und Verschüttete zu kümmern. Haderleins Multipla war
nur noch Schrott und bereits im Abwrackprämienhimmel, den konnte er vergessen.
Als Lagerfeld endlich ans Handy ging, erfuhr er von ihm das ungefähre
Schadensausmaß dieser Nacht. Sein Kollege saß gerade in Coburg fest und
versuchte den Bewohnern zu helfen, ihre Stadt aufzuräumen. Der gewaltige
Tornado hatte dort eine Schneise der Verwüstung nur knapp am Stadtkern vorbei
gezogen. Der Bahnhof war als fast einziges Gebäude in der Zugbahn stehen
geblieben. Verschwunden waren dagegen Teile des Güterbahnhofs und der »Brücken
Adolf« mitsamt seiner Birnen und Äpfel. Weite Teile der Häuser entlang der
Ortsumgehung Richtung Autobahn glichen einem Trümmerfeld. Die historische
Innenstadt lag voller Sperrmüll und Wrackteile. Richtig übel erwischt hatte es
die Bertelsdorfer Höhe. Der komplette Jungbaumbestand, der für die Coburger
Erstgeborenen angelegt worden war – verschwunden. Auch der ältere, nette
grauhaarige Gärtner in seinem grünen Kittel hatte die kleinen Bäume nicht
beschützen können und war mit seinen Zöglingen auf die tödliche Reise gegangen.
Komplett vernichtet war die Turnhalle der HUK .
Circa ein Drittel des gläsernen Versicherungspalastes war einfach wegrasiert
und das dahinter liegende Landratsamt in Minutenfrist komplett eingeebnet
worden. Aldi, Edeka und Sagasser, alles verschwunden. Nur der Burger King hatte
Glück gehabt. Auf Sichtweite war der Tornado an den erschrockenen Gästen
vorbeigezogen. Auch hier hatte es nur kurz geregnet, danach folgten Trümmer
über Trümmer. Wie viele Tote es gegeben hatte, war noch nicht abzusehen, doch
womöglich war Coburg noch einmal glimpflich davongekommen, was die Opfer unter
der Bevölkerung anbelangte. Trotzdem sah es in der Innenstadt fürchterlich aus.
Lediglich die Bereiche auf den Höhen der Veste und des Fachhochschulgeländes,
wohin sich die meisten Coburger geflüchtet hatten, waren von dem Wirbelsturm
komplett verschont geblieben. Tausende von Menschen waren plötzlich obdachlos,
und das nicht nur in Coburg, sondern in ganz Ober- und Unterfranken.
    Im Moment half Lagerfeld
dabei, die Trümmer von dem Rathausvorplatz zu räumen und auf die allgemeine
Ordnung zu achten. Verhaften hatte er leider Gottes auch bereits jemanden
müssen. Es war kein Plünderer und eigentlich auch kein Krimineller, wobei die
Meinungen da mitunter schon auseinandergingen. Mitten in dem ganzen Chaos, als
jeder damit beschäftigt war, die eigene Haut zu retten oder zu sehen, was von
seinem Heim an traurigen Resten noch übrig geblieben war, gab es immer noch
Menschen, die sich selbst von einem Tornado, der Feuerwehr, dem THW und wahrscheinlich sogar von UNO -Blauhelmtruppen nicht von ihren
abstrusen Gewohnheiten abhalten lassen wollten.
    Ein in Coburg wohlbekannter
Spinner nervte mit lautem Ghettoblaster und kreischender Stimme die
Rettungskräfte in der Innenstadt während der Aufräumarbeiten so gewaltig, dass
Lagerfeld alle Hände voll zu tun hatte, ihm das Leben zu retten. Er konnte
gerade noch verhindern, dass ein Lichtenfelser Feuerwehrmann, dem die
innerstädtische Coburger Abhärtung fehlte, mit seiner Feuerwehraxt den Sänger
in zwei lautlose Teile spaltete. Trotzdem: Genug war genug. Kurzerhand nahm
Lagerfeld den Verrückten in Schutzhaft und sperrte ihn in ein halbwegs
schalldichtes Chemieklosett des provisorischen Helferlagers am Coburger
Marktplatz. Dort konnte der oberfränkische Troubadix erst einmal keinen
akustischen Schaden anrichten.
    Anschließend konnte
Lagerfeld sich wieder um die Hilfskräfte kümmern. Er hatte hier wirklich alle
Hände voll tun, Haderlein musste schon selbst sehen, wie er aus Hirschaid
wegkam.
    Der Kriminalhauptkommissar
hatte erst um fünf Uhr früh Honeypenny in der Dienststelle erreichen können,
aber an einen polizeilichen Abholservice war nicht zu denken

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