Blutfeuer
betrachteten.
»Das, meine Herren, ist das Dokument, welches die genauen Regularien
Ihres Wettstreites darlegt. Frau Hoffmann war so freundlich, trotz erheblicher
Arbeitsüberlastung durch diese Naturkatastrophe einen juristisch einwandfreien
Text auszuarbeiten. Wenn Sie nun bitte unterschreiben würden.«
Marina Honeypenny Hoffmann zuckte entschuldigend mit der Schulter.
Lagerfeld glotzte seinen Chef an wie ein Häschen, wenn’s blitzt, und Haderlein
fing trotz völliger Übermüdung an zu lachen. Lagerfeld missbilligte den
unangebrachten Heiterkeitsausbruch seines direkten Vorgesetzten mit einem
bitterbösen Blick, doch Haderlein konnte nicht aufhören. Er kriegte sich
überhaupt nicht mehr ein. Endlich fiel die irrsinnige Anspannung von ihm ab.
Ach, war das herrlich, der normalfränkische Alltag hatte ihn wieder. Rechts und
links kullerten ihm die Tränen über die Wangen, und auch Fidibus grinste wie
ein Honigkuchenpferd in die Runde. Nur Lagerfeld gab den Othello kurz vor dem
Mord.
»Geben Sie her, Chef«, kicherte Haderlein immer noch königlich
amüsiert und setzte, ohne sich auch nur irgendetwas durchgelesen zu haben,
seinen Servus schwungvoll auf das Papier. Als er sah, wie Lagerfeld ihn
ungläubig anstierte, bekam er sofort den nächsten Lachkrampf.
Seinem Kollegen wurde es jetzt zu blöd. Na gut. Der Moment war
sowieso perfekt. Seine Zigaretten waren eh alle, und gleich kam seine geliebte
Ute zurück, die ja auch davon ausging, dass er nicht mehr rauchen würde. Kein
Problem. Er hatte sich schließlich im Griff. Er konnte mit dem Rauchen
aufhören, jederzeit. Entschlossen nahm er den Kugelschreiber und unterschrieb
ebenfalls. Jetzt war es offiziell, das war ihm klar. Dem Verlierer drohten
Schimpf, Schande und Schmach. So eine Nummer wie mit der häuslichen Flatrate würde
hier nicht laufen, das war ihm vollkommen klar. Und wenn er ehrlich war, konnte
er sich eine regelwidrige Raucherei auch finanziell gar nicht leisten.
Schniefend kam Haderlein auf Fidibus zu und sagte nach Atem ringend:
»Ich kann fei schon a weng Fränkisch, Chef, fei.« Dabei betonte er das »fei« am
Satzende und musste sofort wieder losprusten. Es schien, als wolle der
langjährige Kriminalhauptkommissar gar nicht mehr ernst werden.
Regelrecht verstört vom ungewöhnlichen Verhalten seines Kollegen,
versuchte Lagerfeld, von der für ihn unangenehmen Situation abzulenken, indem
er Fidibus fragte: »Hörn Sie amal, Chef. Sie sin doch aach scho a weng hier in
der Gechend. Wie sieht’s eigentlich mit Ihna aus, wollen Sie net a weng
mitmachen bei dera Wetten da?« Herausfordernd, das Kinn nach vorn gereckt,
stand der junge Kommissar angriffslustig im Büro. Doch der Leiter der Bamberger
Polizei, Robert Suckfüll, wusste sich zu wehren. Derartige Ansinnen waren schon
des Öfteren an ihn herangetragen worden.
»Oh, ich bin schon lange genug hier, Herr Schmitt, ich habe das gar
nicht mehr nötig, da mitzumachen bei Ihrer Wette da«, klärte er Lagerfeld auf.
»Ich bin schon fast ein Einheimischer, ich bin sozusagen, nun, wie soll ich
mich ausdrücken …?« Sein Blick irrte hilfesuchend durch die Runde, aber sein
unsteter Geist konnte den passenden Begriff in seinen verschachtelten
Hirnwindungen nicht finden. Also musste er sich manuell durch seinen Wortschatz
tasten. Da! Endlich hatte er das gesuchte Wort gefunden. »Ich bin vereinheimischt«,
verkündete er, »sozusagen frankiert, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Stolz
übermannte ihn, dass er sein Anliegen so treffend formuliert hatte. Zufrieden
rollte er seine Trockenzigarre zwischen den Fingern. Das erneute Gelächter von
Haderlein und das der Umstehenden mochte allerdings nicht so recht zu seiner
Überzeugung passen. Selbst Lagerfeld konnte sich ein Grinsen jetzt nicht mehr
verkneifen. Honeypenny stemmte ihre beiden Hände in das Rückgrat ihres Chefs
und schob diesen mit aller Kraft aus dem Gefahrenbereich »Untergebene
Mitarbeiter der Dienststelle« hinaus und zurück in sein Büro. Nachdem sie die
Tür geschlossen hatte, konnten alle sehen, wie sie mit einem sehr fragend
dreinblickenden Fidibus heftig gestikulierte.
»So, jetzt reicht’s«, meinte ein japsender Haderlein, nahm die Leine
von Riemenschneider und packte Lagerfeld am Arm. »Auf zum ›Greifenklau‹, wir
haben Feierabend.« Daraufhin verließen die Kommissare endgültig das Büro.
*
Dr. Christian Rosenbauers Verstand weigerte sich, die Tatsachen zu
akzeptieren. Eigentlich war er nur Wissenschaftler und
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