Blutfeuer
noch eine
kleine, unwichtige Unterschrift auf dem Dokument in diesem Umschlag«, flüsterte
der Mann ihm halblaut und in leicht gebückter Haltung zu. »Nur diese
Unterschrift, dann sind Sie ein sorgenfreier, vor allem aber lebendiger Mann,
Doktor Rosenbauer. Machen Sie es allen Beteiligten nicht noch schwerer, als es
eh schon ist.« Der Mann richtete sich wieder auf und trat einen Schritt zurück.
Dr. Christian Rosenbauer blickte trotzig zu ihm und dann zu seiner
Frau, die hilflos in der Ecke stand und die Hände vor das Gesicht geschlagen
hatte. In ihm tobte ein Kampf, den er schon vor langer Zeit verloren hatte. Er
konnte einfach nicht gegen sein Gewissen handeln.
»Sie sind ein Schwein, das war mir von Anfang an klar. Aber wenn Sie
glauben, ich würde mich in denselben Sumpf wie Sie begeben, dann haben Sie sich
getäuscht. Sie wissen, dass ich das nicht tun kann«, erklärte er entschlossen.
»Sie vergeuden hier nur Ihre Zeit.«
»Ich an Ihrer Stelle würde nichts Unüberlegtes tun, sonst werden
womöglich weitere unschuldige Menschen sterben, Herr Doktor Rosenbauer«, sagte
der bärtige Mann nun kühl, holte eine Handfeuerwaffe aus seiner Jacke hervor
und begann langsam einen Schalldämpfer aufzuschrauben. Gerlinde Rosenbauer
stöhnte erstickt, ihr Mann wurde kreidebleich.
»Das, das können Sie doch nicht ernst meinen?«, stieß er verzweifelt
hervor und bettelte den Mann mit seinen Blicken regelrecht an.
»Doch, das kann ich durchaus«, meinte dieser ungerührt, hob die
Waffe, zielte kurz und drückte den Abzug. Man hörte ein stumpfes »Plopp«, dann
senkte der Mann die Waffe wieder. Ungläubig starrte Gerlinde Rosenbauer auf
ihre Bluse. Auf Brusthöhe bildete sich ein großer, roter Fleck.
»Christian«, konnte sie noch flüstern, dann sank sie auf die Knie,
und ihr Körper fiel leblos zur Seite. Die Waffe des Mannes war nun auf den
geschockten Hausherrn gerichtet, den das soeben Erlebte zurück auf das Sofa
gedrückt hatte. Verstört betrachtete er den Körper seiner Frau.
»Wir werden jetzt gehen«, sagte der schwarze Unbekannte und hielt
die Waffe weiterhin auf Christian Rosenbauer gerichtet, während seine Begleiter
die leblose Frau in einem schwarzen Sack mit Reißverschluss verstauten und
hinaustrugen.
»Unterschreiben Sie«, sagte der Mann, der bereits an der
Wohnzimmertür stand. »Und schauen Sie in den Umschlag, Herr Doktor, dort werden
Sie ein weiteres Argument für Ihre Gewissensbildung finden.« Dann wandte er
sich um und war kurz darauf aus dem Haus verschwunden.
Christian Rosenbauer saß zitternd da und versuchte zu begreifen, was
geschehen war. Er fror am ganzen Körper, konnte keinen klaren Gedanken fassen.
Seine Frau war tot. Kaltblütig umgebracht. Gerade eben hatte sie
noch mit ihm diskutiert. Mein Gott, warum hatte das Schicksal gerade ihm eine
solche Prüfung auferlegt. Was zum Teufel wollten die denn noch? Schluchzend
öffnete er das Kuvert. Es rutschte ihm aus den zitternden Fingern. Aus dem am
Boden liegenden braunen Umschlag sah er ein dünnes Stück Stoff herausschauen.
Er wusste sofort, wovon es stammte. Barbie persönlich schaute ihm fröhlich
lächelnd entgegen. Das Kleid seiner Tochter. Sie hatten Theresa.
*
Nach einem Tag, an dem er in Nordbayern versucht hatte, Ordnung in
das Chaos zu bringen, begab sich ein erschöpfter Haderlein zurück in die
Dienststelle. Auch Lagerfeld befand sich auf dem Weg zurück aus Coburg. In
weiten Teilen der Landkreise Bamberg und Coburg war der Notstand ausgerufen
worden, und die ersten Einheiten der Bundeswehr waren schon vor Ort, um bei den
Aufräumarbeiten und der Stabilisierung der allgemeinen Lage zu helfen. Die
schwierigste Aufgabe war drei Kompanien des Jägerregiments aus Hammelburg
zugeteilt worden, die es mit tonnenweise Schutt zu tun hatten, der weggeräumt
werden musste. Erschwerend kam das Hochwasser hinzu, weswegen ein komplettes
Bataillon Logistik und Instandsetzungsexperten des Bundeswehrstandortes Volkach
angefordert worden war. Insgesamt waren im Laufe des Tages über zweitausend
Soldaten der Bundeswehr im Einsatz gewesen. Am Nachmittag noch unterstützt von
leichten und mittleren Hubschraubern der Heeresfliegerstaffel aus Roth, die bis
in den Abend hinein Menschen aus dem Hochwassergebiet ausflogen. Durch die
enormen Regenmassen in der kurzen Zeit hatte sich der Itzgrund in die
alljährliche Seenplatte verwandelt, die aber jetzt nur noch selten idyllische
Dörfer, sondern hauptsächlich Trümmer umspülte. Nicht
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