Blutfeuer
das mit deiner Tochter, das ist echt hart.«
Aber was sollte er jetzt mit diesem Geständnis anfangen? Wieder betrachtete er
den verstörten jungen Mann, der von einem einzigen Desaster aufgefressen wurde.
»Also gut, ich werde versuchen, dir zu helfen«, sagte Pechmann schließlich.
Christian Rosenbauer bedachte ihn mit einem warmen Blick und sagte
nur: »Danke, Leonhard.«
Doch der war bereits in tiefen Gedanken. »So viel ist schon mal
klar, an den Abtsberg kannst du erst mal nicht zurück. Und in dein Labor auch
nicht. Ich glaub, ich hab da eine Idee. Komm mit.« Er reichte ihm eine leichte
Sommerjacke, die Rosenbauer todsicher zu groß sein würde, aber das war in
diesem Moment egal. Dann ging er für ein paar Minuten nach oben und kam mit
einem schnell gepackten Rucksack zurück.
»Du wolltest doch sicher schon mal mit meinem Roller fahren«, meinte
Pechmann zynisch. »Jetzt sind Tag und Stunde gekommen.« Mit zwei Fingern schob
er den Vorhang am Fenster neben der Haustür zur Seite und betrachtete die
Straße vor dem Haus. Wortlos winkte er ihn zu sich, und Christian Rosenbauer
schaute durch den schmalen Schlitz nach draußen. Auf der gegenüberliegenden
Straßenseite lungerte eine undurchsichtige Figur neben einem alten roten Golf GTI mit verdunkelten Fensterscheiben.
»Deine Geschichte scheint zu stimmen, mein Freund. Kennst du den Typen da
drüben? Kommt der dir bekannt vor?«
»Schwer zu sagen«, grübelte Rosenbauer. »Irgendwie hab ich den
tatsächlich schon mal gesehen. Aber er steht zu weit weg, um Genaueres sagen zu
können.«
»Ist auch erst mal egal«, meinte Pechmann und zog ihn vom Fenster
weg. »Du wirst jedenfalls beschattet, und ich glaube nicht, dass das da draußen
die Bamberger Polizei ist. Komm mit.«
Er sagte seiner Frau Bescheid und schob Christian Rosenbauer zum
Hintereingang hinaus. Im Hof stand der ganze Stolz von Leonhard Pechmann: ein
weißer Piaggio MP 3 Motorroller mit
vierhundert Kubikzentimetern und hundertvierzig Stundenkilometern
Spitzengeschwindigkeit. Ein absolutes Unikum in der Szene. Vorn zwei Räder,
hinten eines. Die beiden Vorderräder neigten sich in jeder Kurve wie ein
Parallelogramm in jeden Winkel, sodass sie extreme Kurvenfahrten ermöglichten.
In den engen Straßen Bambergs der totale Hingucker. Vor allem war man mit
diesem absonderlichen Gefährt schneller im Stadtverkehr unterwegs als jeder
andere. Der MP 3 war Pechmanns
Heiligtum. So teure Cabrios konnte man gar nicht kaufen, wollte man mehr
Aufmerksamkeit beim Kellerbesuch auf sich ziehen als Pechmann mit der MP 3. Rosenbauer hatte schon immer mit
dem Ding fahren wollen, aber nicht unbedingt unter diesen Umständen. Nun bekam
er von Leonhard Pechmann einen Helm und den Rucksack gereicht und stieg auf.
»So, und jetzt gut festhalten!«, rief sein Kollege, der sich vor ihn
gesetzt hatte, nach hinten, während er den Motor startete. Die Blockierung der
beiden Vorderräder löste sich, und der Roller war nun frei beweglich. Christian
Rosenbauer umfasste die beiden Haltebügel seitlich unter ihm, dann gab Leonhard
Pechmann Gas. Der MP 3 kam dermaßen
schnell aus der Einfahrt geschossen, dass das lästige Überwacheranhängsel vor
dem Haus erst zu spät reagieren konnte. Als der GTI in die Gänge kam, waren die beiden Wissenschaftler und der Piaggio bereits im
Bamberger Abendverkehr verschwunden. Leonhard Pechmann fuhr wie ein Henker. Er
überholte bereits im Haingebiet mehrere Autos, fuhr am Schönleinsplatz bei
Dunkelgelb über die Ampel, um dann mit Vollgas in die Lange Straße einzubiegen.
Dort wechselte er mit fast siebzig Sachen auf den Radweg, wo er mehrere
Radfahrer von ihrem Untersatz trennte. Die rote Ampel am »Gablmo« ignorierte er
ebenso wie die Fußgänger vor der Konzerthalle. Schließlich raste der Roller mit
Höchstgeschwindigkeit über die Brücke zum Cherbonhof und jagte Richtung
Bischberg aus der Stadt hinaus. Christian Rosenbauer hatte keinen Schimmer,
wohin die Reise gehen sollte, aber Leonhard Pechmann hatte offensichtlich ein
festes Ziel im Auge.
»Aber das Schlimmste«, unterbrach Ute von Heesen ihre Freundin, »das
Schlimmste war der Blick in diese aufgeplatzten Augen. Wie Quittengelee hat das
ausgesehen, und so eine orangefarbene Flüssigkeit ist ausgelaufen. Ich konnte
gar nicht –« Weiter kam sie nicht, weil Franz Haderlein sie unterbrach.
»Was hast du da gesagt? Wiederhol das noch mal!«
Wieder erzählten Manuela Rast und Ute von Heesen übereinstimmend die
gleiche
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