Blutfeuer
haben noch nicht den globalen Überblick. Die kann man nicht allein in
der Badewanne lassen, ohne die Aufsicht eines Erwachsenen«, erklärte sie ihm.
Robert Fidibus Suckfüll hob
protestierend den Blick. »Aber ich war dabei. Ich habe danebengesessen, die
ganze Zeit«, beschwerte er sich.
Ja, aber du bist auch kein
richtiger Erwachsener, dachte Honeypenny insgeheim. »Trotzdem: Irgendetwas muss
ja wohl passiert sein, sonst hätte Ihre Frau sich am Telefon nicht so
aufgeregt, oder?«, bemerkte sie hartnäckig und schob ihre imposante Brustpartie
noch etwas weiter über den Schreibtisch in Richtung Chef. Fidibus war nun gar
nicht mehr wohl in seiner Haut. Überwältigt von der voluminösen Präsenz seiner
Sekretärin, senkte er sicherheitshalber den Blick.
»Na!« Marina Hoffmann
stemmte ihre Fäuste jetzt in die ausladenden Hüften und sah mit abwartender
Strenge auf ihren Zigarre drehenden Chef hinunter. Der räusperte sich nervös
und versuchte, fahrig mit den Händen gestikulierend, eine Erklärung abzugeben.
Schließlich war er sich keiner Schuld bewusst.
»Nun, Frau Hoffmann, ich
habe meine Tochter Charlotte vorbildlich zu Wasser gelassen, das Kinderbadeöl
in der vorgeschriebenen Dosis hinzugegeben, die Wassertemperatur überprüft und
sogar die Badeente aufgepumpt.« Fidibus machte ein Gesicht, als müsse ihm für
seine unglaubliche Leistung jetzt gleich und sofort jemand auf die Schulter
klopfen. Honeypenny machte jedoch diesbezüglich keinerlei Anstalten. Im
Gegenteil.
»Weiter!«, kam die
ungeduldige Aufforderung. Der Dienststellenleiter schreckte aus seiner
selbstzufriedenen jüngeren Vergangenheitsbewältigung hoch.
Ȁh, ja, und dann habe ich
meine Tochter eben gebadet. Wie man das so macht. Eigentlich war alles so weit
ganz in Ordnung.«
Honeypenny fixierte ihren
Chef weiterhin.
»Nun ja, bis auf das
Badewasser, das begann sich nach einer Weile gelblich zu verfärben«, meinte
dieser nun offensichtlich unangenehm berührt. Honeypenny hob die Augenbrauen,
während ihr Chef fortfuhr. »Ja, erst gelblich und dann bräunlich, wenn Sie
verstehen, was ich meine.« Fidibus blickte mit hoffnungsvollem Augenaufschlag zu
seiner Dienststellenfee empor.
Die verstand sehr wohl.
»Ihre Tochter hat in die Wanne gemacht, sehe ich das richtig?«
Fidibus nickte resigniert.
»Ja, genau. Obwohl es mich schon verwundert, dass die Windel nicht dicht
gehalten hat, bei diesen modernen Materialien heutzutage.« Man konnte sehen,
wie er gedanklich versuchte, sich diesen komplizierten physikalischen Vorgang
zu erklären.
Honeypenny dagegen konnte es
nicht fassen. »Sie haben Ihre Tochter mit Windel gebadet?«
»Natürlich«, erwiderte
Suckfüll über ihren Ton verärgert. »Damit das arme Kind in der Wanne nicht
friert.«
Honeypenny starrte ihn an,
Fidibus starrte irritiert zurück und fuhr mit seinen badepädagogischen
Schilderungen fort. »Aber dann wurde das Wasser nach einer Stunde wohl doch
etwas kühl. Die Temperatur habe ich zwar auf dem Thermometer durch diese braune
Brühe nicht mehr richtig ablesen können, aber Charlottes Lippen waren schon
ganz blau, und da dachte ich: ›Robert, nimm sie mal lieber raus.‹
Vorausschauend, nicht?«
Marina Hoffmann schaute ihn
entgeistert an. »Und was haben Sie dann mit dem frierenden Kind gemacht? Das
arme Ding muss doch sofort in eine Decke gewickelt werden!«
»Sind Sie verrückt?«,
empörte sich Fidibus. »Charlotte war ja noch ganz braun, das hätte doch jede
Textilie versaut. Da muss man mit Maß und Ziel vorgehen, Frau Hoffmann, und
nicht sinnlos Ressourcen verschwenden. An die Umwelt denken, verstehen Sie?«
Sein Blick drückte absolutes Unverständnis über Honeypennys Gedankenlosigkeit
bezüglich Ökologie im Haushalt aus. Honeypennys Blick drückte im Moment gar
nichts aus, sie war zu entsetzt. Entschlossen erhob sich Fidibus aus seinem
Sessel und schritt stolz dozierend durch sein Büro. Endlich konnte er einmal
jemandem darlegen, was er für ein toller Mann und Vater war. »Dann habe ich
Charlotte auf den Badteppich gelegt und versucht, sie trocken zu föhnen«,
erklärte er.
Honeypenny gab ein paar
undeutliche Laute von sich.
Fidibus warf ihr einen
prüfenden Blick zu. »Ist Ihnen nicht gut, Frau Hoffmann?«, fragte er ehrlich
besorgt. Wenn seine Sekretärin krank würde, war er im Büro aufgeschmissen.
Doch diese winkte nur ab und
hauchte mühsam: »Das ist doch jetzt nicht wahr, oder?« Dann musste sie sich am
Schreibtisch festhalten.
Ihr Chef
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