Blutfeuer
Erde persönlich erschienen und hätte ihm, Daniel Brosst, nichts
Geringeres als die edle Aufgabe auferlegt, sie, die Erde, vor dem Weltuntergang
zu retten. Das klang wichtig, das war edel, und das war endlich der lang
ersehnte Sinn seines Daseins hienieden.
Allerdings wurde unter der
Hand gemauschelt, die Vision habe in einer durchzechten Nacht im »Schwarzen
Bären« in Beiersdorf bei Coburg stattgefunden. Außerdem sei die Mutter Erde
eigentlich nur eine rundliche Ambulanzschwester gewesen, die ihm um fünf Uhr
früh im Kutzenberger Klinikum den Magen ausgepumpt hatte. Aber nichts Genaues
wusste man nicht.
Jedenfalls scharte Daniel
Brosst von da an sehr schnell eine Gruppe von Jüngern um sich, die seitdem mit
ihm das Ende der Welt verkündeten. Und da er sehr großzügig ihren
Lebensunterhalt bestritt, verkündeten sie umso begeisterter seine Nachricht.
Außerdem spendete er so oft und an wen er nur konnte. Das machte ihn beliebt,
das machte Freunde. Unter anderem sponserte er die Bamberger Basketballer, die
Brosst Baskets, welche mit seiner segensreichen Hilfe inzwischen um den
Klassenerhalt und gegen den Abstieg kämpften. Brosst Mahlzeit!
Im Sommer lebte die Gruppe
in der Fränkischen Schweiz auf diversen keltischen Kraftpunkten, wie er sich
ausdrückte, und so wurde das seltsame Häufchen sommers im gesamten Naturpark
Veldensteiner Forst gesichtet. In dieser Zeit beteten sie Bäume an, redeten mit
Vögeln und versuchten, aus dem Wuchs und der Blüte des Aaronstabes die Zukunft
zu lesen.
Den Winter verbrachten die
Jünger im ehemaligen Hochregallager der Firma Brosst im Hallstadter
Industriegebiet. Der riesige Kubus war nun nicht länger die Heimat von
Einzelteilen für aerodynamische Fensterheber in Flugzeugen, sondern Meditations-
und Begegnungsstätte der Babylonier, wie sie sich selbst nannten. Dort
verbrachten sie ihr Leben mit kruden Wissenschaftlern aller Art, die regelmäßig
zu sogenannten Erhellungsvorträgen erschienen. Was dabei vor allem erhellt
wurde, war natürlich der Geldbeutel der besagten Dozenten. Für die Gage eines
Abendvortrages im Meditationszentrum musste ein Professor an der Uni Bamberg
wahrscheinlich ein Leben lang arbeiten. Vor allem aber warteten die Babylonier
voller Begeisterung auf den Weltuntergang, was sie mit einem nicht gerade
unerheblichen Lebensstandard taten. Warum auch knausern, wenn der Planet in
Kürze eh den Bach runterging?
Bei der Gemeinschaft
vermuteten Außenstehende eher unorthodoxe Formen des Zusammenlebens und nicht
unbedingt allgemein übliche Formen des intergeschlechtlichen Zusammenseins.
Aber das waren nur Gerüchte. Mehreren Anzeigen sittlicher Natur war polizeilich
nachgegangen worden, aber inzwischen hatte man die abstruse Truppe als
durchgeknallt, aber harmlos eingestuft. Sollte der junge Milliardär doch sein
Geld durchbringen, wie er wollte. Sein Problem.
Als Haderlein und Lagerfeld
auf dem Plateau mit der Kapelle erschienen, saß der Gottesgleiche gerade allein
mit geschlossenen Augen auf dem kleinen Wiesenabhang Richtung Süden und horchte
in die fünfte oder sechste Dimension hinein, ob sich visionstechnisch gerade
etwas Neues ergab. Die langen, dünnen Haare lagen brav gekämmt über seine
Schultern und das graue Gewand verteilt.
Ein Jünger kam selig
lächelnd auf die beiden Beamten zu und fragte höflich: »Kinder der Erde, was
möchtet ihr erfahren?« Dabei fixierte er besonders Lagerfeld. Das bunte Kind
der Erde schien ihm besonders zu gefallen.
Lagerfeld hingegen rümpfte
seine Nase. Den süßlichen Geruch, den der Typ absonderte, kannte er noch gut
aus seiner Zeit bei der Sitte. »Hier wird gekifft«, presste er zwischen seinen
zusammengebissenen Zähnen hindurch und in Haderleins Ohr.
»Das ist mir, glaub ich, im
Moment total egal«, erwiderte Haderlein. Er verbeugte sich leicht vor dem lächelnden
Empfangskomitee, oder was der Typ auch immer darstellen sollte, und sagte, so
höflich er konnte: »Nun, wir sind von der Kriminalpolizei und würden gern Herrn
Daniel Brosst etwas fragen, wenn das möglich wäre.«
Der Angesprochene beachtete
den Kriminalhauptkommissar nicht, sondern strahlte weiterhin Lagerfeld an, der
sich sichtlich unwohl in seiner Haut fühlte. Eine Zigarette wäre jetzt nicht
schlecht, dachte er, während der blonde Jünger mit kokettem Augenaufschlag auf
ihn zutänzelte. Was sollte das denn jetzt werden?, überlegte Lagerfeld, dann
verwandelte sich sein Unwohlsein in eine konkrete Ahnung bezüglich der
sexuellen
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