Blutfeuer
seiner Brille anblickte.
»Oh, da hat jemand aber
seine Hausaufgaben gemacht«, meinte er lächelnd. »In der Tat, ›Yellowstone‹ ist
die vorläufige Bezeichnung für dieses Medikament. Lustig, nicht wahr? Der Name
ist unseren MTA -Miezen im
Testlabor eingefallen.«
»Und? Hilft es was?«, fragte
Lagerfeld ziemlich einfältig, während er die Tablette in seinen Fingern hin und
her drehte.
»Tja, das ist ja gerade das
Phantastische an dem Präparat, seine Nebenwirkungen …«, sagte Eichberg
nachdenklich.
»Nebenwirkungen?«, echote
Haderlein. »Sie meinen, es ist in irgendeiner Art und Weise gefährlich?«
»Aber nein«, lachte nun
Eichberg das erste Mal. »Die Inhaltsstoffe basieren bis auf einen kleinen
Anteil des von uns entwickelten Stoffes auf natürlichen Materialien wie
Gingkoextrakt oder dem natürlichen Zuckerstoff Stevia. Im Gegenteil: Wir
konnten bereits wunderbare Erfolge bei körperlichen Reha- und
Suchtproblematiken erzielen. Gebrechlichkeit und körperliche Leistung konnten
bei den alten Menschen radikal verbessert werden. Ebenso scheint das Medikament
bei Depressionen und Neurosen anzuschlagen. Und das alles ohne irgendeine bis
jetzt bekannte Nebenwirkung. Bald sind die Versuchsreihen für die Zulassung
abgeschlossen, und wir können in die Produktion einsteigen.«
Eichberg war sichtbar stolz
auf die neue Tablette seiner Firma.
In Lagerfelds Augen trat ein
merkwürdiger Glanz. Nachdenklich drehte er die Tablette in der Hand. »Sagen
Sie, Herr Eichberg, was meinen Sie mit Erfolgen in der Suchtproblematik?«,
fragte er ihn interessiert.
Eichberg erklärte es ihm
bereitwillig. »Nun, in einer der vorhergegangenen Testreihen mit Ratten konnten
wir feststellen, dass ›Yellowstone‹ eine ähnliche oder vielmehr bessere Wirkung
hat als Metadon. Suchtkranke hatten binnen Stunden kein Verlangen mehr nach
ihren Suchtmitteln wie Heroin, Kokain oder anderen Drogen. Sofort und völlig
ungefährlich. Aber das könnte Ihnen Dr. Rosenbauer als wissenschaftlicher
Leiter des Projektes viel besser und ausführlicher erklären als ich.«
Lagerfeld verzog angewidert
das Gesicht. »Mastodon? Nie gehört.«
Haderlein lachte. »Nicht
Mastodon, Metadon. Ein Suchtmittelersatzstoff, der unter Aufsicht verabreicht
werden kann, um beim Entzug zu helfen. Hast du das in deiner Zeit bei der Sitte
nicht mitbekommen?«
Lagerfelds Augen leuchteten
wieder auf. »Stimmt! Und das hier ist völlig ungefährlich?«, fragte er noch
einmal nach. Noch bevor Eichberg etwas sagen konnte, hatte Lagerfeld die
Tablette schon eingeworfen. Fassungslos schauten ihn Haderlein und Eichberg an,
während er mit sinnlicher Miene der lakritzähnlichen Süße des Stevias in dem
Medikament nachspürte. »Jetzt bin ich aber gespannt, ob das auch bei Rauchern
hilft«, meinte er gelassen und tat so, als sei nichts geschehen.
Das Verhör von diesem Brosst
war eine einzige Katastrophe gewesen. Das Einzige, was Huppendorfer aus dem
Mann herausgebracht hatte, waren ein paar Prophezeiungen vom herannahenden
Weltuntergang gewesen, aber keine Erklärungen oder gar Beweise für seine wilden
Behauptungen, in St. Getreu gewesen zu sein. Der Kommissar war nicht
weitergekommen. Auf Anweisung von Fidibus blieb der Bursche erst mal in der
Zelle, während er selbst zum Auto ging. Er brauchte jetzt Sauerstoff und würde
Herrn Pechmann besuchen.
Huppendorfer hatte mit
seinem Wagen gerade die große Kreuzung am Schönleinsplatz überquert und fuhr
Richtung Haingebiet, als er sah, wie ihm aus der Hainstraße ein dreirädriger
weißer Roller entgegenkam und sehr schnell an ihm vorbeifuhr. Das gab’s ja wohl
nicht! Er überlegte nicht lange und drehte um. Gerade als er unter dem Fluchen
der anderen Verkehrsteilnehmer gewendet hatte, konnte er erkennen, wie der MP 3 am Schönleinsplatz nach rechts
abbog. Obwohl die Ampel bereits auf Rot schaltete, fuhr er noch über die
Kreuzung und handelte sich damit gleich die nächsten lautstarken Verwünschungen
ein.
Unter Missachtung sämtlicher
offiziellen und inoffiziellen Verkehrsregeln schaffte es Huppendorfer gerade
noch so, dem Roller bis auf die Autobahn Richtung Lichtenfels/Erfurt zu folgen.
Das Ding war verdammt schnell und wendig. Aber auf der Autobahn ging die
Verfolgung einfacher. Im Vergleich zu Bamberg hatten Autobahnen den verkehrstechnischen
Vorteil, verschwindend wenige mittelalterliche Gassen aufzuweisen. Mit konstant
hundertvierzig Stundenkilometern fuhr der weiße Roller Richtung Norden, um dann
am
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