Blutflecken (Ein Lucy-Guardino-Thriller) (German Edition)
einem Tisch in dem engen Besucherraum des Gefängnisses, in dem sein Vater in Untersuchungshaft saß. Es roch nach alten Käsesocken, genau wie in der Jugendhaftanstalt. Aber hier mischte sich noch ein anderer Geruch hinzu, etwas Bittersüßes, beißend und feucht, das über die Jahre in die Betonquader gesickert war: Furcht.
Eine schwere Metalltür wurde geöffnet und die Geräusche der Männer, die sich hinter der Tür befanden, drangen in den Raum. Allerdings klang es nicht nach Männern, sondern eher nach wilden Tieren auf Futtersuche, die grunzten und schnaubten, wenn frische Beute an ihnen vorbeizog. Ein Wachmann hielt die Tür offen, während ein anderer Adams Vater in den Raum führte. Clint schlurfte. Von seinen Knöcheln führten die Ketten zu einem breiten Ledergürtel, der um seine Hüften geschlungen war. Von dort aus waren sie mit den Ketten der Handschellen um seine Handgelenke verbunden. Unter der Aufsicht des ersten Wärters schloss der zweite Wärter die Handschellen auf, rückte Clint auf dem Stuhl zurecht und schloss die Handschellen dann um einen Metallring in der Mitte des Tisches. Sie erledigten ihre Arbeit rasch und effizient, ohne Blickkontakt herzustellen oder ein Wort zu sagen. Ganz so, als handelte es sich bei seinem Vater nicht um einen Menschen. Während der ganzen Prozedur verdrehte Clint die Augen und schnitt Grimassen, als wäre das alles nur ein dämliches Spiel. Er schien gar nicht zu realisieren, dass es genau dasselbe Spiel war, das er mit seinen Opfern gespielt hatte. Die Kontrolle. Das Zurechtrücken der Körper. Das Anketten.
Eine merkwürdige Ruhe erfasste Adam und dämpfte die Panik, die von ihm Besitz ergriffen hatte, als er Platz genommen hatte. Er war nicht wie sein Vater. Er ähnelte ihm noch nicht einmal ansatzweise. Bevor die Wärter den Raum verließen, legte einer von ihnen Adam eine Hand auf die Schulter.
»Sollte irgendetwas sein, drücke einfach hier drauf.« Er deutete auf einen Knopf, der neben Adam im Tisch eingelassen war. »Wir überwachen alles. Okay?«
Adam nickte. »Alles klar.«
Die Tür fiel ins Schloss und im Raum breitete sich Stille aus. Adam setzte sich aufrecht hin. Es kam ihm in den Sinn, dass er in all den Jahren, in denen er den Rücken gekrümmt und versucht hatte, sich klein zu machen, nie bemerkt hatte, dass er viel größer war als sein Vater.
Die Ketten rasselten, als Clint sich nach vorn lehnte und in flüsterndem Tonfall zu sprechen begann.
»Es freut mich, dass du endlich zur Vernunft gekommen bist, mein Junge. Ich habe alles unter Kontrolle. Sie haben keine Leichen. Noch nicht mal irgendeinen Beweis dafür, dass jemand umgebracht wurde. Also, Simsalabim – keine Mordanklage.«
Adam wich zurück, um dem übelriechenden Gestank zu entgehen, der aus Clints Mund kam. Aber sein Vater beugte sich aufgeregt noch weiter über den Tisch.
»Und all diese Frauen? Es ist ihr Wort gegen meines, dass das alles nicht in gegenseitigem Einvernehmen geschah. Hast du von David Parker Ray gehört, dem Typen, der in New Mexico beinahe mit so etwas Ähnlichem davongekommen wäre? Wie bei mir. Nur hatten die damals ein Video, auf dem man ihn sah, wie er seinen Spaß mit einem Fisch hatte. Wie er sie aufschlitzte und in Würfel schnitt und es ihr mit dem Elektroschocker besorgte und so weiter. Auf Video. Außerdem ließ er sie am Leben, und sie konnte gegen ihn aussagen. Und selbst dann konnten die Geschworenen sich nicht einigen. Man musste ihn ziehen lassen. Vielleicht kann ich seinen Anwalt anheuern. Wenn er Ray da rausholen konnte, dann sollte mein Fall ein Kinderspiel für ihn sein. Also, hier ist mein Plan: Du musst nur genau das tun, was du immer tust, ruhig bleiben und dich dumm stellen. Du hast nichts gesehen und nichts gehört. «
Clint streckte seine Hand über den Tisch. Adam spürte die kalten Ketten, als Clint seine Hand drückte.
»Es gibt nichts, wovor du Angst haben müsstest. Sag einfach kein Wort, und alles wird gut. Ehe du dich versiehst, bin ich hier raus. Und dann gibt es nur noch dich und mich, mein Sohn. So, wie es immer sein sollte.«
Sein Lächeln war so breit, es konnte einen blenden. Es war genau das Lächeln, auf das Adam sein ganzes Leben lang gewartet hatte. Aber jetzt sah Adam nur ein Stück Wurst, das zwischen Clints oberen Schneidezähnen hing. Es baumelte und bewegte sich hin und her, während Clint sich die Lippen leckte und sein Lächeln erneut erstrahlen ließ.
»Was ist los, mein Junge? Das ist nicht der
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