Blutflecken (Ein Lucy-Guardino-Thriller) (German Edition)
ins Gedächtnis rufen.«
Sally war Feuer und Flamme, als sie den Rest von Adams Höhle erforschten. Sie nannte Adam Boots und kommandierte ihn herum, als wüsste er nicht, was er tat. Und sie verlangte, dass er alberne Affengeräusche machte. Adam tat ihr den Gefallen. Es war es wert, wenn es sie zum Lachen brachte. Sie zögerte nur einmal, als er sie auf seine Schultern setzte, um auf der Leiter hinunter in die Grube zu klettern. Zuerst dachte er, dass sie vielleicht Höhenangst hatte, aber kaum waren sie unten angekommen, huschte Sally die Leiter furchtlos hoch und herunter, während er ihre Spielsachen und ihre Malbücher auf der Decke ausbreitete. Da wurde ihm klar, was ihr Angst eingejagt hatte: Niemand hatte das arme Kind jemals auf die Schultern genommen.
»Bist du dir sicher, dass du allein klarkommst?«, fragte er, nachdem sie eine Weile gemeinsam ausgemalt hatten. So lange, dass das LED-Licht zu schwinden begann. Sally kam ihm zuvor und lud die Taschenlampe durch Kurbeln auf, wie Adam es ihr gezeigt hatte. Trotz der Lampe war es in der Grube schummerig. Aber in ein paar Stunden würde die Sonne hoch genug stehen, so dass von oben mehr Licht hineinfallen würde. Sally malte weiter. Anscheinend hatte sie viel Zeit im Dunkeln verbracht, und der Gedanke stimmte ihn wütend und traurig.
»Ich bringe dir neue Stifte und Malbücher mit.« Sie nickte eifrig. Und dann überraschte sie ihn, indem sie aufsprang und ihn umarmte.
»Ich find es gut, dass du mein großer Bruder bist, Adam«, flüsterte sie ihm ins Ohr, während sie sich an ihn drückte. Er war verdutzt und wusste nicht, was er antworten sollte. Langsam schloss er seine Arme um sie, vorsichtig, um nicht zu stark zu drücken. »Du bist meine liebste kleine Schwester auf der ganzen Welt.« Er ließ sie nur ungern los, aber er musste sich auf den Weg machen. »Ich bin so schnell ich kann zurück.«
Sie kitzelte sein Gesicht mit Miss Priss und widmete sich dann wieder ihrer konzentrierten Tätigkeit. Er hatte noch nie ein Kind gesehen, das Ausmalen so ernst nahm. Kaum, dass er fortgegangen war, fing er an, sich Gedanken zu machen. Wie würde er für sie sorgen können? Schließlich gehörte sie jetzt zu ihm. Wie hatte Dad das geschafft? All die Jahre, die er für ihn und Mom und sogar für den Fisch gesorgt hatte. Adam trat aus der Höhle und atmete die erfrischende Novemberluft ein. Die Zeit war gekommen, ein Mann zu sein. Er marschierte in den Wald. Zum ersten Mal in seinem Leben war er fest entschlossen, es nicht zu vermasseln.
Kapitel 8
Lucy schlüpfte in ihre reguläre Arbeitskleidung – lange Khakihosen und eine schlichte Bluse – und verstaute ihr Kostüm in einem Kleidersack. Es war erst 8.20 Uhr. Ihr Termin beim Psychodoktor fand erst um 10.00 Uhr statt. Die Fahrt nach New Hope dauerte zwei Stunden. So sehr sie sich bemühte, diesen Gedanken zu verdrängen, er kam immer wieder angekrochen. In ihrem Büroschrank stand eine fertig gepackte kleine Reisetasche mit frischer Kleidung, Necessaire, Winteraccessoires. Die Tasche brauchte sie gar nicht. Sie könnte nach New Hope fahren und wieder zurück sein, bevor Megan vom Fußball nach Hause käme. Zum Teufel mit dem Psychodoktor. Es würde ihrer Seele verdammt noch mal mehr helfen, wenn sie sich vergewisserte, dass es Adam gut ging. Sie versteckte die Reisetasche unter dem Kleidersack, den sie über ihren Arm legte, lächelte auf dem Weg nach draußen jeden an und verließ das Gebäude ohne ein Wort. Sie hatte gerade ihr Auto erreicht, als ein grauer Ford Taurus vorfuhr. Am Steuer des zivilen Dienstwagens saß Jenna Galloway.
»Steig ein«, rief die Postbeamtin durchs Fenster. Lucy öffnete die Beifahrertür, blieb aber draußen stehen. »Wohin fährst du?«
»New Hope. Ich dachte, du willst vielleicht mitkommen.«
»Ich habe es dir doch gesagt. Um Adam Caine kümmere ich mich. Du gehst wieder schön zurück zu Operation Roundup.«
»Da ist Taylor dran. Und der Drohbrief fällt in den Zuständigkeitsbereich der Post. Du hast gar keine Handhabe, um zu ermitteln, selbst wenn es nicht um dich ginge. Außerdem bin ich die Neue hier. Was würde das Team denken, wenn ich dich einfach abdampfen lasse und irgendetwas passiert?«
Lucy zögerte.
»Ich fahre sowieso, mit dir oder ohne dich. Ach, komm schon«, bettelte Jenna. »Das Kaff ist auf keiner Karte eingezeichnet. Du willst doch nicht, dass ich mich verfahre?«
»In Ordnung. Unter zwei Bedingungen.«
»Und die wären?«
»Ich fahre.« Lucy
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