Blutflecken (Ein Lucy-Guardino-Thriller) (German Edition)
verschwunden sind? Marty und … wie heißt der andere?«
»Darrin. Darrin Harding«, soufflierte Lucy. Sie wünschte, Mathis würde ihr die Fragerei überlassen. Craig trat von einem Bein aufs andere und bohrte mit einem Finger in einem Loch im Ärmel seines Pullovers.
»Antworte, mein Sohn!«, erhob Mathis seine Stimme, aber Craig zuckte mit keiner Wimper. Als sei er daran gewöhnt. Oder als bedürfe es weitaus mehr Stimulation, um irgendeine Reaktion von ihm zu bekommen. Das konnte ein frühes Anzeichen für sich entwickelnde Soziopathie sein.
»Klar habe ich mit denen gesprochen. Aber das war am Vormittag.« Endlich blickte er auf und begegnete herausfordernd Lucys Blick. »Bis dieser große Junge auftauchte. Mit seinem Messer. Wahrscheinlich hat er diese Jungen in den Wald geschleppt und sie dort aufgeschnitten und ihre Eingeweide zum Verwesen aufgehängt.«
Lucy verzog keine Miene. Craig würde bei ihr nicht die erhoffte Reaktion hervorrufen. Aus dem Augenwinkel sah sie, dass Jenna sich einen Schritt von dem Jungen entfernte, wobei ihre Hand wie zufällig auf die Höhe der Tasche rutschte, in der sie Lucys Waffe verstaut hatte.
»Was für ein Junge war das, Craig?«
»Weiß nicht. Mrs Chesshir kannte ihn. Die haben geredet wie alte Freunde.«
»Und das war am Vormittag, ja?«
Er nickte mürrisch, unwillig, irgendetwas zuzugeben, das gegen ihn verwendet werden könnte.
»Wann hast du Marty und Darrin zum letzten Mal gesehen?«
»Sie haben mit ein paar von meinen Freunden Fangen gespielt. Wir bemühen uns, auch die jüngeren Kinder miteinzubeziehen«, fügte er noch hinzu, um seine Komplizen zu schützen. »Aber Dad hatte mich da schon abgeholt. Als wir losfuhren, konnte ich sehen, wie die beiden über das Feld liefen.«
»Ich habe die Jungen gestern von der Schule abgeholt«, schaltete Mathis sich ein. »Wir hatten einen Termin beim Zahnarzt drüben in Huntingdon. Alle drei.«
» Wissen Sie noch, um wie viel Uhr Sie die Kinder abgeholt haben?«
»Ich musste diesen Wisch unterschreiben, dass ich sie vorzeitig abhole. Das war um 14.40 Uhr. Als ich endlich beide Jungs im Wagen hatte, waren die übrigen Kinder auch schon draußen, rannten zum ersten Bus oder spielten im Hof. Keine Ahnung, wie spät es war, als wir vom Parkplatz fuhren.«
»Und Craig war seit 14.40 Uhr mit Ihnen zusammen?«
»Ja.« Mathis stand auf. Craig hielt sich einen Schritt hinter ihm, ein verkniffenes Grinsen im Gesicht. Wahrscheinlich dämmerte es ihm gerade, was für ein Glück er hatte, dass er beim Zahnarzt gewesen war.
»Sonst noch was, meine Damen?«
Lucy schüttelte den Kopf und ging zur Tür, die Jenna schon geöffnet hatte. An der Schwelle hielt sie an und drehte sich zu Mathis um.
»Sie haben alle Hände voll zu tun hier, Mr Mathis. Ich frage mich, ob Craig jemandem zum Reden brauchen könnte. Jemanden der ihm hilft, mit allem, was passiert ist, besser fertigzuwerden.«
Sie befürchtete, Mathis könne sich wegen ihres Vorschlages angegriffen fühlen. Zu ihrer Überraschung blickte er über die Schulter und vergewisserte sich, dass sein Sohn nicht mithörte. Dann beugte er sich leicht zu ihr.
»Das könnte eine gute Idee sein. Ich muss gestehen, es hat mir in letzter Zeit Sorgen bereitet, ihn mit den jüngeren Kindern allein zu lassen. Ich werde mich informieren. Vielen Dank.«
Lucy und Jenna gingen zurück zum Wagen. Hinweise, die sie bei der Suche nach Marty und Darrin vorangebracht hätten, hatten sie bei Mathis keine erhalten. Aber vielleicht hatten sie einem anderen Kind helfen können, bevor es zu spät war.
Bob eilte zur offenen Tür im Empfangsbereich.
»Geht es dir gut, mein Kind?«
Er verstellte Adam mit seinem Körper den Blick, so dass Adam das kleine Mädchen nicht sehen konnte.
»Meine Mommy. Sie ist schwer verletzt. Bitte helfen sie mir.«
Aber Adam erkannte die Stimme. Er öffnete den Mund, konnte aber nicht genug Luft holen, um auch nur einen Ton von sich zu geben. Sein Hals war wie zugeschnürt. Er wollte die Augen schließen. Er wusste, er sollte besser die Augen zumachen, aber er schaffte es noch nicht einmal, zu blinzeln. Er wünschte, Bob hätte ihm nicht seinen Namen genannt. Es machte alles nur viel schlimmer, wenn man die Namen kannte.
»Selbstverständlich.«
Der Hilfssheriff ging in die Hocke, um auf Augenhöhe mit dem Mädchen zu sein. »Wo ist sie, mein Schatz? Sag mir, was …«
Dann sog er scharf die Luft ein. Ein kleiner, hilfloser Laut. Adam zuckte zusammen. Er kannte
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