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Blutflucht - Evolution

Blutflucht - Evolution

Titel: Blutflucht - Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loreen Ravenscroft
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mit meinem Daumenabdruck, wobei ich für einen kurzen Augenblick den abgerissenen Finger des alten Arztes vor Augen sah.
    Mit drei Tüten bepackt verließen wir den Laden. Mehrmals erwischte ich Jack dabei, wie er sich umsah, was ich ihm nicht verdenken konnte. Stets war er darauf bedacht, dass die Überwachungskameras in dem Geschäft und auf der Straße nur seinen Rücken zu sehen bekamen. Doch sonntags herrschte hier reges Treiben, da fielen wir unter den unzähligen Fischern und Hafenarbeitern, die mit ihren Familien den freien Tag genossen, sicherlich nicht auf. Wären wir beobachtet worden, hätte ich das gespürt, glaubte ich wenigstens. Trotzdem hatte Jack sich vorsichtshalber eine verspiegelte Sonnenbrille und ein Basketball-Cap der
Riverdale Bloodhounds
aufgesetzt, die momentan die Liga anführten. Ich fand die Mütze abscheulich, aber Jack hatte sie unbedingt haben müssen. Er schien ein echter Fan der Bloodhounds zu sein.
    Ich schlug vor, bei
Tony`s
eine Kleinigkeit zu essen, und so zog ich Jack ein paar Ecken weiter in ein kleines, gemütliches Cafß, auf dessen Terrasse im ersten Stock wir ungestört reden konnten. Von dort oben hatten wir einen wundervollen Blick auf die wuselnde Menschenmasse, die sich durch die Gasse schob.
    So glücklich wie an diesem Tag, hatte ich mich schon lange nicht gefühlt. Ich brannte darauf, mehr aus Jacks Leben zu erfahren. Also lauschte ich gespannt seinen Erzählungen.
    »Ich war Wachmann bei einer Werttransportfirma und mein Vater Bankangestellter bei der FIRST BANK OF WINOLA. Des Öfteren haben wir beide deswegen geschäftlich miteinander zu tun gehabt. Eines Tages, als ich mit meinen beiden Kollegen die letzten Geldplomben dort abholte, um sie ins Entwertungsdepot zu bringen, kam es zu einem Überfall, bei dem mein Vater tödlich verletzt wurde und auch meine Kollegen starben.« Mit entrücktem Blick sah Jack in seine Tasse. Ich fühlte, dass er es sich nie verziehen hatte, seinen Vater nicht hatte retten zu können.
    Jack räusperte sich. »Obwohl ich mich vor ihn gestellt hatte, jagte das Geschoss durch meinen Arm hindurch direkt in seine Brust. Er war auf der Stelle tot. Es wäre Dads letzter Arbeitstag gewesen, bevor die Bank schloss«, sagte Jack leise. »Seinen wohlverdienten Ruhestand durfte er nicht mehr erleben.«
    Jack erschoss die drei maskierten Männer, wie er mir weiterhin erzählte. Einen Monat später quittierte er seinen Job bei der Firma und verdiente sein Geld von nun an damit, indem er Selbstverteidigungs-Kurse gab. »Seitdem habe ich nie wieder eine Schusswaffe in der Hand gehalten«, flüsterte er und vermied es, mich anzusehen. Stattdessen stocherte er mit der Gabel in seinem Kuchen herum. »Wäre vor drei Jahren dieser Überfall nicht passiert, hätten
sie
nie von meinen Fähigkeiten erfahren. Aber es ist natürlich extrem auffällig, wenn man ins Krankenhaus kommt und die Schusswunde schon fast verheilt ist.«
    »Wieso bist du denn ins Krankenhaus gegangen?«
    »Ich wollte nicht, wehrte mich mit Händen und Füßen, doch die Sanitäter stellten mich mit einer Spritze ruhig. Sie dachten wohl, ich drehe durch, weil mein Dad gestorben war.«
    »Und deine Mutter?« Ich wollte ihn schnell ein wenig ablenken. Am liebsten hätte ich ihn jetzt in meine Arme gezogen. Aber wollte er von mir getröstet werden? Die meisten Männer waren zu stolz, sich Schwächen einzugestehen. Wie war das bei Jack? Schade, dass ich ihn trotz meiner Gabe doch nicht so gut kannte, wie ich gerne gewollt hätte.
    »Mum hat den Tod meines Vaters nicht verkraftet. Sie schmiss ihren Job bei Soma-Tec und verkroch sich in ihrer Wohnung. Ein Jahr später war sie an gebrochenem Herzen gestorben, wie man so schön sagt. Sie hatte einen Infarkt. Die beiden hatten sich wirklich sehr geliebt.« Jacks Schultern sackten nach unten. »Irgendwie gebe ich mir die Schuld, dass sie nicht mehr am Leben sind.«
    »Das darfst du nicht«, sagte ich leise. »Du hast getan, was du konntest.«
    Während Jack mir mehr von seiner Mutter erzählte, strich ich mir mit dem Finger über meinen linken Handrücken. Soma-Tec war die Firma, die unsere ID-Chips herstellte. Jeder trug so ein kleines Implantat unter der Haut, ob Mensch, Mutant oder Haustier. Der winzige, kapselförmige Chip hatte vor langer Zeit den Ausweis, die Krankenkarte und was-weiß-ichnoch-alles ersetzt. Er enthielt viele persönliche und biometrische Daten und bei Mutanten auch die Klassifizierung sowie die Fähigkeiten. Außerdem konnte

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