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Blutflucht - Evolution

Blutflucht - Evolution

Titel: Blutflucht - Evolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Loreen Ravenscroft
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lauter Freude das Herz stehen: Inmitten der zerrupften Matratze saß zitternd ein Eichhörnchen, das mich aus großen schwarzen Augen ansah. Ich war überwältigt vom Anblick dieses wilden, aber harmlosen Tieres.
    »Da sitzt doch nur ein putziges Eichhörnchen!« Ich fand es unglaublich süß.
    »Das mein ich ja auch nicht«, drang Jacks Stimme von unten herauf.
    Jetzt erst bemerkte ich die unzähligen Spinnennetze, die in den dunklen Ecken der Schlafkoje hingen. »Ich verstehe. Du meinst unsere achtbeinigen Freunde.« Da konnte ich mir ein Schmunzeln nicht verkneifen.
    Als ich wieder unten ankam, fand ich Jack vor der Tür auf der kleinen Veranda. Aus seinem Gesicht war jegliche Farbe gewichen. »Ich schlafe hier draußen. Unter freiem Himmel ist es sowieso viel romantischer.«
    »Meinst du, dort gibt es weniger Spinnen als im Haus? Komm, lass uns saubermachen und die Plagegeister vertreiben.« Aber zuerst wollte ich das Eichhörnchen rausbringen, das ich in Gedanken Chipsy getauft hatte.
    Als ich zurück in die Schlafkoje kletterte, war es verschwunden. Es musste durch die Klappe am Dach entwischt sein, die ein paar Zentimeter offen stand. Auf diesem Weg war das süße Pelzknäuel wahrscheinlich auch hineingelangt. Schade, dass es sich schon aus dem Staub gemacht hatte. Ich hätte es mir so gerne genauer angesehen.
    Gemeinsam trugen Jack und ich die wenigen Möbel nach draußen, damit wir die Hütte gründlich vom Schmutz und Staub der letzten zwanzig Jahre befreien konnten. Jack erwies sich dabei als überaus passabler Hausmann. Logischerweise war ich dafür zuständig, die Spinnweben und Netze unserer mehrbeinigen Hausbesetzer zu entfernen, womit ich ihn natürlich wieder aufzog.
    Jacks Rache folgte augenblicklich: Er packte mich und legte mich über seine Schulter. Dann rannte er mit mir in das kühle Wasser des Sees, wo er mich gnadenlos untertauchte. Wir prusteten beide vor Lachen und ich fühlte mich wie ein verliebter Teenager. Wenigstens waren wir jetzt sauber. Doch die schlimmste Arbeit lag noch vor uns.

    Ich könnte nicht behaupten, dass die Hütte vor Sauberkeit glänzte, aber der Boden war gekehrt, die Möbel vom Staub befreit, die Regale gewischt, das Geschirr gewaschen, die Schränke ausgeputzt und das Badezimmer konnte auch wieder barfuß betreten werden.
    Die alten Matratzen und zerschlissenen Kissen hatten wir hinter die Blockhütte geräumt. Bis Xara mit der nächsten Lieferung kam, mussten wir mit unseren Schlafsäcken vorlieb nehmen.
    Mittlerweile war der Abend hereingebrochen und Jack und ich fix und fertig. Vor der Hütte, am Ufer des Sees, hatte Jack ein Lagerfeuer entzündet, in dessen Glut eine alte Eisenpfanne stand. Darin brutzelten Bratkartoffeln. Der Geruch von gebratenem Speck ließ mir das Wasser im Mund zusammenlaufen.
    Plötzlich fühlte ich mich viele Jahre zurückversetzt, als ich mit Pa, Mum und Sam an genau derselben Stelle gesessen und Stockbrot im Feuer geröstet hatte. Ich fragte mich, ob Jack sich auch wie im Abenteuerland fühlte, doch sein ernster Gesichtsausdruck ließ das nicht vermuten. Er wirkte sehr nachdenklich und bedrückt.
    »Hey«, sagte ich aufmunternd, als ich mich neben ihn auf seinen Schlafsack setzte und einen Arm um seine Schultern legte, »was ist los?«
    »Nichts.« Jack versuchte ein unbekümmertes Lächeln aufzusetzen. »Nur müde.«
    Er wollte nicht darüber reden. Das war okay. Nach all dem Grauen, das er erlebt hatte, brauchte er Zeit. Zeit, um zu vergessen. Zeit, um darüber hinwegzukommen. Falls das jemals möglich war.
    »Es muss fantastisch für dich gewesen sein, als du in deiner Kindheit schon einmal hier warst.« Er versuchte das Thema zu wechseln. Worauf wollte er hinaus? Was beschäftigte ihn? Ich spürte deutlich, dass er sehr intensiv über etwas nachdachte.
    »Es war wundervoll. Jetzt, wo ich hier bin, kehren die Erinnerungen Stück für Stück zurück. Ich wünschte, meine Eltern hätten mit mir mehr dieser Ausflüge unternommen.« Ich kuschelte mich enger an ihn, um meinen Kopf auf seine Schulter zu legen. Da er kein Shirt trug, genoss ich die Wärme seiner Haut auf meinem Gesicht.
    Jack vergrub die Nase in meinen Haaren, wie er es schon des Öfteren getan hatte, worauf sein stoppelbärtiges Kinn meine Stirn berührte.
    Ich wollte nicht schnüffeln – ehrlich! Aber auf einmal sah ich, was Jack beschäftigte: eine Vorstellung, ein bloßer Gedanke und ein möglicher Blick auf die Zukunft.
    Zwei Kinder, etwa im Alter von fünf und sieben

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