Blutgesicht
eigenen Schatten gesprungen.
»Nun, Jane…?«
»Es kann sein, daß du recht hast.«
»Aha. Dann hast du zu uns gehört.«
»Was heißt >zu uns«
»Zu den Dienern der Finsternis. Zur Hölle. Zum großen, schwarzen Engel.«
»Vielleicht.« Sie wollte nichts direkt zugeben, denn dieser damalige Zustand war im Moment für sie so etwas wie eine Lebensversicherung. Nur nicht daran rühren.
»Ich bin etwas durcheinander«, gab das Blutgesicht zu. »Ich weiß noch nicht, ob ich dich vernichten oder in meiner Welt hier behalten soll. Das muß sich noch erst herausstellen. Wenn du dich wieder auf meine Seite schlägst, könnten wir ein Team bilden.«
Jane wunderte sich über den Vorschlag. Andererseits gab er ihr Gelegenheit, herauszufinden, wer dieses Blutgesicht tatsächlich war. Er mußte ja so etwas wie einen Hintergrund haben. Darauf baute sie ihre erste Frage auf.
»Wer bist du wirklich? Du kennst mich. Aber ich weiß nicht, was hinter dir steckt. Du bist nicht der Teufel, das weiß ich. Wer also…«
»Ich bin Nathan Lassalle!«
»Nein, das kann nicht sein. Das gibt es nicht. Lassalle ist ein normaler Mensch und kein…«
»Meinst du?« höhnte er. »Was ist er dann?«
»Er ist ein Mensch, und ich bin es nicht, auch wenn ich so aussehe. Ich bin ein gelungenes Experiment.«
»Ein Bild«, sagte Jane, die nicht mehr an sich halten konnte. »Du bist ein lebendes Bild, ein schwarzmagisches Werk. So und nicht anders sehe ich das.«
»Auch da irrst du dich. Ich bin die Seele des Nathan Lassalle. Ja, seine Seele, die nicht nur einfach Gestalt angenommen hat, sondern seine Gestalt. Ich bin sein Abziehbild. Ich bin auch mit meinem Aussehen die blutende Seele des Nathan Lassalle, die er dem Teufel überlassen hat. Jetzt kennst du die Wahrheit.«
Jane schwieg. Sie kam sich vor wie in einem Eiskeller gefangen. Sie wollte es nicht glauben. Was hier passiert war, das kam einer Ungeheuerlichkeit gleich.
Eine veränderte und neu geklonte Seele, die so aussah wie der Körper, in der sie einmal ihre Heimat gefunden hatte. Sicherlich war sie früher einmal völlig rein gewesen, bis dann der Teufel gekommen war und die Seele übernommen hatte.
Dank seiner Kraft war sie wieder zu einem Menschen geformt worden. Nachgeklont, wie man so schön sagt. Demnach existierte Nathan Lassalle zweimal.
»Warum sagst du nichts?«
»Wo bin ich hier?«
»Im Vorhof zur Hölle. In einer Dimension des Teufels. Es gibt die Tür nach draußen, doch niemand außer mir weiß, wo sie sich befindet. Der Teufel hat sie geschaffen. Versteckt in diesem Bild. Es ist das magische Tor. Ich weiß, wo es sich befindet, du nicht. Und so wirst du für alle Ewigkeiten in dieser meiner Welt bleiben müssen – es sei denn, du stellst dich auf meine Seite und erinnerst dich daran, was du früher einmal gewesen warst, als du dich in die Arme des Teufels begeben hast. Es ist deine Entscheidung. Ich warte darauf. Deine nächste Antwort muß es bringen. Aber warte nicht zu lange.«
»Was ist, wenn ich es nicht tue?«
»Dann wirst du enden wie die anderen. Zu einem magischen Staub werden, verloren im Vorhof der Hölle.«
Jane zweifelte. Sie kämpfte mit sich. Sie wollte sich um eine Antwort herumdrücken, aber sie wußte zugleich, daß dies leider unmöglich war.
Das Blutgesicht gab ihr eine letzte Chance. »Ich warte nicht mehr lange…«
»Ja, natürlich.« Sie versuchte, noch etwas Zeit zu gewinnen. Was tun? Wie sich entscheiden? Zum Schein auf das Angebot eingehen? Aber würde er es nicht merken?
Wie konnte sie gegen ihn angehen? Wie bekämpft man einen Körper, der trotzdem nur Seele war?
Sie wußte es nicht. Sie war völlig von der Rolle und zitterte. Der Schweiß drang aus allen Poren. Der Streß verdoppelte sich, und plötzlich spürte sie auch die Todesangst. Hexenkräfte stecken in mir! Dachte sie. Bitte, ich muß sie hervorholen. Sie müssen mir helfen! Ich will, daß meine Kräfte mir endlich helfen, daß sie zur Geltung kommen, daß ich sie gegen ihn einsetzen kann und… Etwas störte sie.
Ein furchtbares Geräusch. Ein tiefes Ächzen und Röcheln, das aus seinem weit geöffneten Mund drang. Jane konnte sich nicht vorstellen, was mit ihm passiert war. Sie hatte nichts getan. Die Veränderung lag einzig und allein an ihm.
I He Arme schnellten zur Seite. Die Finger streckten sich. Das Gesicht war zur Unkenntlichkeit verzerrt, als wollten sich darin verschiedene Teile ineinanderschieben.
Sie sah, daß die Augen immer weiter vorsprangen,
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