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Blutgrab

Blutgrab

Titel: Blutgrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Schmidt
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jünger.« Ulbricht ließ sich die Anschrift des Leichenfundortes geben und unterbrach die Verbindung. Danach begab er sich ins Bad und wusch sich das Gesicht mit kaltem Wasser, bevor er in die Kleidung schlüpfte, die auf dem kleinen Hocker neben der Badewanne immer für solche Fälle bereitlag. Die Nacht war vorbei, daran gab es nichts zu rütteln. Als Ulbricht keine zehn Minuten später vor das Haus trat und ihm ein dicker Regentropfen in den Nacken rann, überlegte er, einen Antrag auf vorzeitige Pensionierung zu stellen. Vielleicht war er wirklich langsam zu alt für solche Aktionen.

2
    Obwohl es nachtschlafende Zeit war, hatten sich bei Ulbrichts Eintreffen in der kleinen Seitenstraße zahlreiche Schaulustige eingefunden. Sogar ein Pressefotograf huschte herum und schoss seine Aufnahmen. Die Kollegen von Streifendienst und Kriminalwache hatten großflächig Absperrband gespannt, das im Wind flatterte. Da die Einfahrt in die Zandershöfe mit einem quer zur Fahrtrichtung geparkten Streifenwagen versperrt war, parkte Ulbricht den alten Vectra hinter dem blausilbernen Passat Variant. Blaulicht zuckte durch die Nacht, und kaum dass Ulbricht einen Fuß aus dem Auto gesetzt hatte, legte sich der Nieselregen auf Gesicht und Kleidung. Mit einer angewiderten Miene schlug er den Kragen seiner wetterfesten Jacke hoch. Das gute Stück hatte er im letzten Herbst von Maja Klausen geschenkt bekommen, nachdem sein geliebter bügelfreier Columbo-Trenchcoat zu dünn geworden war.
    Ein junger Streifenbeamter trug Sorge dafür, dass kein Unbefugter über das Absperrband kletterte. Als er Ulbricht erkannte, schlug er militärisch die Hacken zusammen und drückte das Flatterband herunter.
    »Schleimer«, kam es über Ulbrichts Lippen. Die Hände hatte er in den Hosentaschen versenkt, als er auf Heinrichs zutrat, der sich - natürlich - längst am Tatort befand.
    Die markante Brille mit dem blauen Rahmen, die Heinrichs seinen Spitznamen eingebracht hatte, war von Regentropfen gesprenkelt. Ansonsten war seine Kleidungsordnung perfekt - er trug einen leichten Anzug und darüber einen hüftlangen Mantel. Nur die Krawatte hatte, wohl aufgrund der frühen Stunde, im Schrank bleiben dürfen. Seine blonden Haare hingen ihm strähnig ins gerötete Gesicht, doch er versuchte den Regen zu ignorieren, so gut es ging.
    »Scheißwetter«, begrüßte Heinrichs seinen Vorgesetzten und erhielt als Antwort nur ein zustimmendes Brummen.
    Als Ulbricht sich umblickte, sah er Männer, die damit beschäftigt waren, großes Stativ aufzustellen. Danach setzten sie eine kompliziert wirkende Kamera darauf. Als sie Ulbricht sahen, nickten sie ihm zu, bevor sie sich wieder ihrer Arbeit widmeten.
    Ulbricht wandte sich seinem Assistenten zu. »LKA?«
    »Na klar, Chef.«
    Ulbricht hasste es, wenn »Brille« Heinrichs ihn so nannte. Ein missmutiger Laut kam über seine Lippen, während er sich fragte, ob die Kollegen aus Düsseldorf hierher geflogen waren.
    »Was soll das Ding hier?«
    »Das ist eine Spheron-Kamera«, belehrte Heinrichs seinen Vorgesetzten mit wichtiger Miene.
    »Das weiß ich selber«, ranzte Ulbricht ihn an. »Ich habe gefragt, was die mit dem Ding hier wollen.«
    »Ich habe sie angefordert. Mit den 360 Grad-Aufnahmen der Kamera können wir uns den Tatort noch mal ganz in Ruhe im Büro ansehen und vielleicht den Tathergang rekonstruieren.«
    »Was gibt es da zu rekonstruieren?«, blaffte Ulbricht. Ihm waren die neuesten technischen Errungenschaften ein Gräuel. Während die meist jüngeren Kollegen auf den technischen Schnickschnack schworen, war Ulbricht anders veranlagt: Für ihn war die kriminalistische Arbeit ein Handwerk, und in den letzten Jahren hatte er zig Verbrecher auch ohne modernste Technik, die nur Steuergelder kostete, gefangen.
    Während Ulbricht noch überlegte, »Brille« Heinrichs wegen des eigenmächtigen Handelns eine Rüge zu erteilen, murmelte er: »So wie ich das sehe, ist der Ablauf klar: Der alte Mann erwischt Einbrecher, spricht sie womöglich an. So was nannte man früher Zivilcourage, gibt es aber heutzutage nicht mehr, Heinrichs. Die Täter wollen den ungebetenen Zeugen ausschalten und schießen auf ihn. Offenbar nehmen sie seinen Tod dabei billigend in Kauf und flüchten. Der alte Mann stirbt und kann uns keine Fragen mehr beantworten. Damit haben die Schweine erreicht, was sie wollten.«
    Heinrichs nickte eifrig. »Ja… aber«, wagte er dann einen Einspruch, wurde aber gleich wieder von seinem Vorgesetzten

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