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Blutheide

Blutheide

Titel: Blutheide Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K.Hanke und C. Kröger
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Vielleicht sogar wichtiger als die Durchführung selbst. Nicht nur, weil schon beim geringsten Fehler alles für die Katz sein könnte, sondern auch des Gefühls wegen. Bereits bei den Vorbereitungen begann es, angenehm in ihm zu kribbeln. Das hielt dann an, manchmal Tage, bis es schließlich geschafft war. Aktion gelungen. Dieses Gefühl nahm wie eine Droge einen Platz in seinem Körper ein, wurde immer mächtiger und beherrschte ihn und sein ganzes Tun. Über die Zeit hinweg brauchte er eine immer stärkere Dosis von diesem Gefühl, um in seinen Rauschzustand zu verfallen. So hatte er nun für seinen dritten Fall gelernt, die Vorbereitungen zu verfeinern, sie hinauszuzögern und voll Konzentration zu erleben.

    Der Akt selbst war natürlich die Krönung. Doch auch das Beobachten, Sondieren und Taktieren danach brachte ihm Befriedigung. Es war die Genugtuung, wie man sie nach einem vorzüglichen Essen verspürt. Wie früher in der Schule nach dem Aushändigen der Zeugnisse, wenn er wieder seine Einsen eingeheimst hatte und die Lehrer ihm mit schiefem Lächeln gratulierten, obwohl sie ihn im Grunde nicht mochten. Ihn insgeheim Streber nannten, aber doch nichts gegen seinen Geist, seine Beharrlichkeit ausrichten konnten und gegen ihren Willen machen mussten, was er ihnen aufdrängte. Während dieses Prozesses kam meist das Fieber. Es setzte langsam ein. War nicht mehr als erhöhte Temperatur, die sich erst bis zu ihrem Gipfel steigerte, wenn wirklich alles vorbei war, erledigt, und er wusste, er hatte mal wieder alle getäuscht. Er erklärte sich das Fieber selbst so, dass er durch die Kontaktaufnahme mit seinen Opfern den ganzen Dreck auf sich lud und am Ende mit dem Fieber wieder ausschwitzte. Darum war es ihm auch lieb. Es machte ihn auf ganz natürliche Weise wieder rein.

    Sorgsam packte er sein Material in eine Leinentasche, streifte sich die neuen, ledernen Autofahrerhandschuhe über, nahm die Schlüssel vom Brett, verließ seine Wohnung, die er zweimal abschloss, und ging langsam die Treppenstufen hinunter. Er hatte keine Eile. Er plante immer ausreichend Zeit ein, denn nichts störte die Konzentration mehr als Abhetzerei. Das vorbereitete Auto stand nur eine Straße weiter. Nachdem er eingestiegen war und den Motor gestartet hatte, begann er seine ganz persönliche Hymne zu pfeifen: ›We are the champions‹ von Queen.

    Sie stand bereits an der Ecke und wartete. So wie jeden Tag, ausgenommen am Wochenende. Das gehörte ihrer Familie, den zwei kleinen Kindern und dem Ehemann. Sie war keine Schönheit, bei Weitem nicht, aber sie hatte dieses gewisse Etwas um ihren Mund herum, das es ihr einfach machte, andere Menschen für sich einzunehmen. Besonders Männer. So viel wusste er, und er wusste auch, wie weit sie dabei ging.

    Was den Ausschlag für sie gegeben hatte – sozusagen den Funken überspringen ließ – war ihre Dreistigkeit. Sie scherte sich nicht um andere, sondern vollzog ihren Lebenswandel in aller Öffentlichkeit. Er hatte sie schon eine Weile beobachtet, bevor seine Entscheidung fiel, denn Unschuldige waren nicht seine Sache. Er legte Wert darauf, dass es passte. Denn wenn die Geschichte es nun einmal vorsah, war er ungern derjenige, der sie umschrieb.

    Langsam fuhr er an die Bushaltestelle heran, sie stand dort ganz allein. Die Fenster hatte er gleich nach dem Einsteigen heruntergekurbelt. Das angenehm warme Wetter ließ es zu. Direkt vor ihr hielt er an, beugte sich über die Mittelkonsole und rief ihr zu: »Lara, brauchst du einen Shuttle oder wartest du lieber auf den Bus, weil du dich so gern zwischen verschwitzte Menschen drängelst?«
    »Hey, was für eine nette Überraschung! Zu so einem Angebot sag ich nicht Nein«, erwiderte Lara Jüssen, trat an das Auto heran, öffnete ohne Scheu die Beifahrertür und ließ sich in den Sitz fallen. Er hätte nicht gedacht, dass es so dermaßen einfach gehen würde, aber umso besser. Ein kurzer Blick in den Rückspiegel sagte ihm, dass sein Timing perfekt gewesen war – Laras Bus bog in diesem Moment um die Ecke, von der er selbst gerade gekommen war. Er klopfte sich innerlich auf die Schulter, gab seinem laufenden Motor wieder Gas und fuhr los, während Lara sich noch anschnallte.
    »Puh«, sagte sie, »bei dieser Hitze ist es wirklich angenehm, nicht im stickigen Bus zu sitzen. Danach bin ich immer reif für ’ne Dusche. Leider konnte ich meinen Chef aber noch nicht überzeugen, eine bei uns im Büro einzubauen. Boa, und du trägst auch noch

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