Blutheide
gesehen, ihm davon zu erzählen. Auch Benjamin Rehders Offenheit ihr gegenüber hatte ihre Einstellung dazu nicht geändert. Was für ein Bild sie in den Augen ihres Chefs sonst abgeben würde, konnte sie sich lebhaft vorstellen. Und auch wenn er sich seinen Teil sicher dachte, musste sie das ja nicht unbedingt bestätigen.
Benjamin hatte Katharina abschließend nur gebeten, die Geschehnisse aus seiner Vergangenheit für sich zu behalten, trotzdem er meinte, dass alle im Kommissariat Bescheid wussten. Aber er wollte das Gerede darüber nicht neu entfacht sehen – für Katharina eine Selbstverständlichkeit, sie war noch nie ein Tratschmaul gewesen, und damit war das Thema vom Tisch. Dann hatten sie noch kurz über die beiden aktuellen Fälle gesprochen, bevor sie sich verabschiedeten.
Als Katharina nun in ihre Wohnung kam, fühlte sie sich unangenehm verloren. Der ganze Tag war so vollgepackt gewesen, dass sie keine Zeit gehabt hatte, sich richtig unwohl zu fühlen, doch jetzt kam alles auf einmal in ihr hoch. Die neue Stadt, der neue Job … Ganz abgesehen von der vertrackten Situation mit Bendedict, der ihr – unabhängig von dem unverhofften Wiedersehen – öfter durch den Kopf geisterte, als ihr lieb war. Und diese vermaledeite Namensähnlichkeit mit ihrem Chef tat ihr Übriges dazu. Was hatten sich die Eltern wohl dabei gedacht? Brüdern – und dann auch noch eineiigen Zwillingen – fast gleiche Namen zu geben, das war doch grausam. Das konnte ja nur zu Verwirrung bei anderen führen! Katharina beschloss, sofort ins Bett zu gehen, um den trüben Gedanken erst gar keine Chance zu geben, sich weiter auszubreiten. Sie rauchte am offenen Fenster noch eine Zigarette, bevor sie sich auf den Futon legte und einschlief, ehe sie wieder ins Grübeln verfallen konnte.
Und all die seidenen Kissen
Gehörten deinem Mann.
Doch uns schlug kein Gewissen.
Gott weiß, wie redlich untreu
Man sein kann.
Weißt du noch, wie wir’s trieben,
Was nie geschildert werden darf?
Heiß, frei, besoffen, fromm und scharf.
Weißt du, dass wir uns liebten?
Und noch lieben?
Man liebt nicht oft in solcher Weise.
Wie fühlvoll hat dein spitzer Hund bewacht.
Ja unser Glück war ganz und rasch und leise.
Nun bist du fern.
Gute Nacht.
(Joachim Ringelnatz)
Kapitel 3: Dienstag, 03. Mai 2011
04.17 Uhr
Benjamin schaute auf den kleinen Wecker neben seinem Bett. Zuletzt hatte er um kurz nach zwei drauf gesehen, dann war er endlich eingeschlafen, aber schon jetzt war er wieder wach. Sinnlos, nun noch einmal zu versuchen, wieder einzuschlafen. Das kannte er schon. Ihm ging einfach zu viel durch den Kopf. Die unerwartete Begegnung mit seinem Zwilling und dazu noch zwei ungeklärte Mordfälle auf dem Tisch, bei denen ihm bisher jeglicher Lösungsansatz fehlte. Dann auch noch eine neue Kollegin, aus der er nicht richtig schlau wurde. Er war sich ziemlich sicher, dass Katharina und Benedict sich heute Morgen am Tatort nicht zum ersten Mal begegnet waren. Zumindest würde das auch Katharinas merkwürdiges Verhalten erklären, das sie bei der Begrüßung auf der Dienststelle an den Tag gelegt hatte. Benedict war noch nie ein Kind von Traurigkeit gewesen und hatte bisher von kaum einer schönen Frau die Finger gelassen. Und Katharina war durchaus eine attraktive Erscheinung, das war auch Benjamin Rehder nicht entgangen. Wer weiß, vielleicht waren die beiden sich ja viel früher einmal über den Weg gelaufen, schließlich wusste er gar nicht, wo Benedict während der letzten Jahre gesteckt hatte. Das war das nächste Problem – er musste wirklich unbedingt mit Benedict sprechen, und zwar nicht erst, wenn sie sich irgendwann noch einmal zufällig über den Weg laufen sollten. Was machte er hier? Steckte er mal wieder in Schwierigkeiten? War er ganz zurück gekommen in seine Heimatstadt? Wusste er von Julie? Benjamin fragte sich außerdem, ob er selbst durch das Auftauchen seines Zwillings erneut mit Problemen in Lüneburg zu rechnen hatte.
Benjamin rappelte sich auf und beschloss, ins Kommissariat zu fahren. Bevor er sich noch länger schlaflos herumwälzte, konnte er die Zeit lieber nutzen, um etwas Licht in die Fälle zu bringen, die er auf dem Tisch hatte.
05.33 Uhr
Katharina war beim Betreten des Kommissariats etwas komisch zumute. Sie fühlte sich ein bisschen wie ein Eindringling. Nicht nur weil sie neu hier war sondern auch, weil ihr Dienst eigentlich erst um acht Uhr begann. Aber als sie vor einer Stunde aufgewacht war, hatte
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