Blutherz - Wallner, M: Blutherz
Kerzen.
»Warum … hast du sie … hergebracht?« Sie spürte Wärme und Flüssigkeit; es war zu viel Verwirrung in ihr, als dass sie darin den Beginn der Geburt erkannt hätte.
»Warum ich Louise hierhergebracht habe?« Valerian schien es mittlerweile lästig zu sein, die blasse Frau im Arm zu halten; sein einziges Interesse galt dem erwachenden Leben. Er setzte Louise hinter sich auf eine Bank des Gestühls. »Ich dachte, es freut dich, in deiner schweren Stunde ein vertrautes Gesicht um dich zu haben. Außerdem …« Hier beugte er sich über Samantha. »Außerdem kenne ich dich mittlerweile als eine Person, die gerne Schwierigkeiten macht.«
»Da hast du verdammt recht!«
»Siehst du.« Er lächelte böse. »Und damit meinem Spross nichts Unvorhergesehenes passiert, damit du ihn mir willig und fügsam überantwortest, dafür habe ich Louise geholt.«
»Oh Gott … Gott … hilf mir!«, schrie das Mädchen und spürte, wie das Kind mit aller Kraft aus ihr herausdrängte.
»ER wird dir gewiss nicht helfen!«, übertönte der Vampir den Schmerzensschrei. »Du bist im Machtbereich eines anderen Gebieters!«
Im Halbdunkel ging eine Bewegung durch die Ritter, wie der Ruf aus einer einzigen Kehle kam das Wort »Fortriu« über ihre Lippen.
»Nein«, sagte jemand. »Nein, das nicht.« Die erstickte Stimme, die es aussprach, war im Gemurmel des geballten Gebets kaum zu hören. »Das darf um keinen Preis geschehen.« Louise richtete sich aus ihrer gekrümmten Haltung auf, setzte einen Fuß auf die Bank und zog sich mit beiden Händen empor; Hände, so verzweifelt angeklammert, dass man die Knochen unter der Haut hervortreten sah.
»Seit du mein Leben zerstört hast, habe ich alles getan, dir zu widerstehen«, sagte sie zu Valerian. »Es hat mich krank gemacht,
es machte mich zu einer lebenden Toten. Doch zu Diensten bin ich dir nie gewesen!« Tränen rannen ihr übers Gesicht; mit klammen Fingern öffnete sie den Pelz. Darunter trug sie ein schlichtes Hauskleid. »Du Ungeheuer sollst mich auch heute nicht dazu missbrauchen! Ich werde nicht schuld sein, dass mein Kind in deine Hände fällt – und das Kind meines Kindes!« Mit einem Ruck riss sie die Bluse über ihrer Brust entzwei. »Wenn es ein Opfer geben muss, ist es nicht Samantha!« An einer Kette holte sie einen länglichen Gegenstand hervor. Es war ein silbernes Kreuz, der Längsbalken war ungewöhnlich lang und lief in einer geschliffenen Spitze aus. »Innerlich bin ich seit Jahren tot«, rief sie verzweifelt. »Seitdem halte ich dieses Kreuz bereit!« Sie schaute bittend empor, dahin, wo kein Symbol Gottes hing, kein Ewiges Licht brannte, wo sie umsonst auf das Zeichen des Kreuzes hoffte. »Vater unser!«, schrie sie in das unheilige Dunkel. »In deine Hände lege ich meinen Leib. Sei meiner Seele gnädig!« Keine Antwort drang aus dem Gewölbe herab, keine Macht erbarmte sich ihrer. Louise küsste das silberne Kreuz, hielt die Spitze gegen ihre Brust und warf sich mit Wucht nach vorne.
»Nein!« Valerian tat einen Sprung. Er kam zu spät.
Louise fiel. Hart stieß das Kreuz gegen die steinernen Fliesen, unabweisbar drang das Silber in ihren Busen, stach durch Haut und Knochen. Der geweihte Pfahl durchbohrte das Herz der unglücklichen Frau, deren Fleisch sich so lange dagegen gewehrt hatte, ein Vampir zu sein. Nun erst, im Augenblick ihres Todes, empfing sie die Verwandlung, wurde wieder ein reiner Mensch, eine befreite Seele. Indem das Kreuz sie durchbohrte, rettete es sie auch. Mit ersterbendem Lächeln trat Samanthas Mutter hinüber in das andere Land, wo sie Frieden fand nach einem gepeinigten Leben.
»Oh Louise«, murmelte der Vampir. »Louise, du Närrin. Warum
hast du das getan?« Er beugte sich über die Frau, die nicht mehr unter seinem Bann stand.
Der Moment der Geburt war da, Samantha wusste und spürte es. Jeden Augenblick würde sich ihr Innerstes öffnen; unter Krämpfen und Pressen würde das Wesen den Weg ins Leben nehmen. Aber Sam war kein gewöhnlicher Mensch, selbst in der Minute äußerster Not gab sie nicht auf. Wenn es stimmte, was der Vampir ihr offenbart hatte, besaß sie mehr Macht und größere Kräfte, als ihr stets bewusst gewesen war. Sie stieß die Luft aus, dampfend quoll der Hauch aus ihrem Mund. Langsam richtete sie sich auf. Unerklärlich, wie sie die Kontrolle über ihren berstenden Körper wiedergewann; noch durfte das Kind den Mutterleib nicht verlassen! Sam sah den leblosen Körper zu Füßen des Steines. Dort
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