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Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Blutherz - Wallner, M: Blutherz

Titel: Blutherz - Wallner, M: Blutherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Wallner
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Underground-Station, erreichte nach kurzer, von trüben Gedanken erfüllter Fahrt das Krankenhaus, zeigte dem Pförtner ihren Ausweis und verschwand in ihrem unterirdischen Zimmer. Sie warf die verschwitzten Sachen von sich, ließ sich aufs Bett fallen, wollte noch einmal hochkommen, um zu duschen, schlief aber, so wie sie war, in der nächsten Minute ein.

4
    M ister Thorndyke war tot. So begann für Samantha der Tag nach der verstörenden Nacht. Die Herztransplantation war wunschgemäß verlaufen, er hatte das Bewusstsein wiedererlangt und die ersten Atemzüge mit dem fremden Herzen in seiner Brust getan. Acht Stunden lang war sein Zustand stabil gewesen, danach hatten die Abstoßungsreaktionen begonnen.
    »Immer um drei Uhr morgens«, hatte Sir Kennock geknurrt, der nach großen Transplantationen stets im Krankenhaus übernachtete. »Was machen Sie für Sachen, Mr Thorndyke?«
    Doch Thorndyke selbst tat ja gar nichts. Es waren die Antikörper seines Immunsystems, die das fremde Gewebe in der Brust attackierten. Sir Kennock ließ eine erhöhte Dosis immunsuppressiver Medikamente spritzen, um die Tätigkeit der Antikörper einzudämmen. Aber Thorndykes Zustand verschlechterte sich weiter. Als sich der Chefchirurg widerwillig entschloss, das unverträgliche Spenderherz wieder zu entfernen, war es bereits zu spät. Mr Thorndyke starb im Morgengrauen; als Todesursache wurde Gefäßverengung infolge sich überstürzender Entzündungsvorgänge zu Protokoll gebracht. Sir Kennock zog sich in sein Zimmer zurück und kippte einen doppelten Gin.
    Mit benommenem Kopf ging Sam ihren Tätigkeiten nach. Sie stellte die Frühstückstabletts zusammen, weckte die Patienten, wusch die Bettlägerigen, half denen, die laufen konnten, aufs Klo und dachte dabei doch bloß an den vergangenen Abend.
    Teddie! Wie mochte sein richtiger Name lauten? Theodore, Theophil, Thelonius? Hatte ihn schon seine Mutter Teddie
gerufen? Waren alle in seiner Familie so groß, hatte er das dunkle Haar vom Vater oder der Mutter geerbt? »Eine alte Familie«, sinnierte Sam, während sie Mrs Abramowitschs Bettpfanne entleerte. Was bedeutete das? Waren seine Leute adelig oder etwas Ähnliches, vielleicht eine alteingesessene Handelsfamilie, die ihre Fäden innerhalb der Londoner Gesellschaft zog? Warum stellst du diese Fragen erst jetzt statt letzte Nacht, schnauzte sich Sam vor dem Badezimmerspiegel an – heute ist es zu spät! Sie kannte nicht einmal Teddies vollständigen Namen. Wie sollte man jemanden unter solchen Umständen in einer Stadt wie London wiederfinden?
    Trübsinnig nützte Sam die halbe Stunde, in der die Ärzte Visite machten, um ihren Kreislauf mit Kaffee aufzupeppen. Unterwegs kam ihr Sir Kennock entgegen. Ihm schien es ebenfalls nicht besonders zu gehen; hohlwangig und mit zusammengekniffenen Lippen rauschte er an der Lernschwester vorbei. Wie muss das für ihn sein, überlegte sie: Er hat die Macht, Leben zu verlängern, er baut Organe ein und aus wie ein moderner Dr. Frankenstein, aber immer wieder macht ihm der Tod einen Strich durch die Rechnung.
    Sam ging nicht in die Kantine, sondern zur Cafeteria, weil der Kaffee dort besser war. Bei Toast und Capuccino kriegte sie sich so weit in den Griff, dass sie beschloss, das nächtliche Erlebnis als Abenteuer einzuordnen und im Tagebuch ihres Herzens als Erledigt zu archivieren. Teddie war gestern; London blieb auch heute spannend und verheißungsvoll.
    Gegen Mittag wurde der kleine Andrew eingeliefert. Der Junge war elf Jahre alt und mit bloß einer Niere geboren worden. Das hatte so lange kein Problem dargestellt, wie das lebenswichtige Organ reibungslos funktionierte. Seit einiger Zeit aber reinigte Andrews Niere sein Blut nicht mehr zuverlässig, weshalb er in Sir Kennocks Abteilung überstellt worden war.
Man bemühte sich, ein geeignetes Spenderorgan zu finden, bevor Andrews Niere vollständig ausfiel.
    Als Samantha sein Zimmer betrat, wusste sie nicht, wie gering Andrews Chancen waren, bald an die Reihe zu kommen. Sie hätte nur einen Blick auf sein Krankenblatt werfen müssen, um zu begreifen, dass er mit Blutgruppe AB negativ zu einer verschwindenden Minderheit zählte; und Minderheiten hatten auf den internationalen Datenbanken, mit deren Hilfe die Organe vergeben wurden, schlechte Karten.
    Andrew war blond, mit ernsten grauen Augen, klein für sein Alter, aber quicklebendig. »Warum bist du traurig?«, fragte er, als sie eintrat.
    Sam war so verblüfft, dass sie vergaß, ihm die

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