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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einen neuen Gott und den Westen zu verachten wie einen Stall stinkender Schweine. Aber diese Zeit ist vorbei. Wir schütteln die Scheuklappen ab.«
    »Und es werden Panzer kommen und die Köpfe ohne Scheuklappen in den Boden walzen.«
    »Haben Sie Angst?« Die Stimme Luceks klang verächtlich.
    »Ich kenne keine Angst – aber ich hasse Sinnlosigkeiten.« Pilny bedankte sich wieder mit einem Nicken, als Lucek ihm eine Zigarette anbot. Ein paar Züge schwiegen sie, dann nahm Lucek das Gespräch wieder auf.
    »Die Zeit ist reif«, sagte er. »Unser Land eignet sich nicht für eine Despotie. Dazu sind wir zu intelligent. Unsere Väter waren durch zwei Weltkriege wie gelähmt; als man ihnen den Kommunismus brachte, griffen sie danach wie ein Ertrinkender nach dem rettenden Seil. Jetzt, da sie merken, daß sie sich dieses Seil um den Hals gewickelt haben und daran zu ersticken drohen, machen sie die Augen zu, beten im stillen und sagen: Also denn, lassen wir uns erwürgen. Was kann man schon dagegen tun? – Oh, man kann viel! Die Welt hat ihr Gesicht gewandelt. Seit Wochen blickt sie auf uns. Der gelähmte Schweijk beginnt wieder zu humpeln.«
    Pilny sah auf die glimmende Spitze seiner Zigarette. Welche Ideen, dachte er. Welcher Idealismus. Welcher Mut. Eine Maus tritt einen Elefanten auf die Zehen … erwartet sie, daß er aufschreit und wegläuft?
    »Vom Westen wird uns niemand helfen … glauben Sie mir. Ich habe viele westliche Politiker gesprochen.« Pilny sah Lucek ernst an. »Wir stehen völlig allein auf der Welt.«
    »Aber die Welt wird uns zusehen!«
    »So wie man in einer römischen Arena zusah, wenn die Christen von Löwen zerrissen wurden.«
    »Das ist uns alles klar, Karel Pilny.« Lucek zertrat seine Zigarette auf den Steinplatten. »Aber es werden auch die Schwächen der Sowjets offensichtlich werden. Es wird bei uns kein zweites Ungarn geben. Sie werden weder ihre Panzer einsetzen noch ihre Divisionen, Moskau kann es sich nicht leisten, sein Gesicht zu verlieren. Entspannung in der Welt ist seine Parole. Nebeneinander leben in Frieden. Die Russen können gar nicht anders – sie müssen die Bajonette in den Scheiden lassen … oder sie bieten der Welt das Bild eines Lügners.«
    »Was kümmert das die Russen.« Pilny erhob sich. Auch Lucek stand von seinem Schemel auf. »Ich möchte Ihnen sagen, daß ich mit Ihren Ideen sympathisiere, daß ich ein Freund der Freiheit bin, daß auch ich liberal denke und doch Kommunist bleibe –«
    »Wir sind alle Kommunisten«, unterbrach ihn Lucek. »Aber wir sind keine Sklaven Moskaus!«
    »– doch ich sage Ihnen auch: Nie werden die Russen dulden, daß die Faust, die dem Westen im Magen sitzt, von uns mit Bandagen umwickelt wird. Sehen Sie sich doch die Karte Europas an … unser Land ist der Tiefschlag gegen den Westen. Trotzdem –« Pilny streckte plötzlich die Hand aus. »Ich bin Ihr Freund, Lucek. Ich gehöre zu Ihnen.«
    »Wegen Irena?« Lucek übersah die Hand Pilnys noch.
    »Nicht allein. Ich bin Tscheche wie Sie … genügt das nicht?«
    »Es genügt.« Lucek lächelte. Er nahm Pilnys noch immer hingestreckte Hand und drückte sie. Und sie wußten in diesem Augenblick, daß sie Freunde waren, daß das Schicksal sie zusammengeführt hatte, weil einer den anderen brauchte: Feuerkopf und nüchterner Denker.
    Lucek selber führte Pilny in den hinteren Keller, wo noch immer Irena auf dem Schemel hockte und wartete. Diese Minuten erschienen ihr unendlich, die Zeit kroch wie Sirup über die feuchten Kellerwände.
    In diesen schrecklichen Minuten des Wartens erkannte sie, was Karel Pilny für sie bedeutete. Liebe … das hatte sie immer belächelt. Und Liebe auf den ersten Blick, dieser Blitzschlag in das Herz, dieser Donner, der ungebrochen widerhallt, der das Blut durch alle Adern treibt, der den ganzen Körper ergreift und durchschüttelt, immer und immer wieder … das war bisher für sie ein Märchen aus Jungmädchenbüchern. Nun spürte sie es selber, und dieses Gefühl war so gewaltig, gerade jetzt in der Angst um Karel, daß sie wie eine Erstickende mit den Füßen scharrte und die Hände flach gegen die Brüste und den Hals preßte.
    Und dann kam er herein, Lucek schob ihn durch die Tür und winkte den beiden bewachenden Studenten, mitzukommen.
    Irena zuckte hoch, die Arme fielen herab, das Herz schlug ihr bis zum Hals … und dann liefen sie aufeinander zu, mit ausgebreiteten Armen, weit offen, den anderen zu empfangen, sie prallten aufeinander,

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