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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Gefängnis! Was muß ich tun, um in Haft zu kommen? Soll ich Sie in aller Öffentlichkeit ohrfeigen? Ich will weg von Ihnen, Andrej Mironowitsch! Ich will nicht mehr Ihre Gegenwart ertragen müssen!«
    »Du bist noch immer in Prag, um Michael Lucek gefangen vor mir zu sehen«, sagte Tschernowskij ungerührt. »Wie ein Hund wird er vor mir liegen, und alles Heldentum wird vergangen sein, alle Schönheit, alle Männlichkeit. Ein Stück Dreck wird er sein, das ich mit meiner Stiefelspitze wegtrete. Das sollst du sehen!« Er hob die Hand, streichelte Valentina über die Haare und lächelte sie an. »Es gibt nichts, um mich loszuwerden, mein schöner, wilder schwarzer Schwan –«
    Wortlos schlug sie seinen Arm weg und biß ihm in die Hand.
    Und Tschernowskij lachte, obwohl der Schmerz brannte.
    *
    Am nächsten Tag nach Irenas Einlieferung in Horni Vltavice besuchte Leutnant Muratow sie im Pfarrhaus. Er brachte Schokolade mit, einen Blumenstrauß, ein Fotoalbum aus Kiew und hockte sich brav neben Irenas Bett.
    Das Fieber war gefallen, die Medikamente hatten es aus dem Körper getrieben, in der Nacht hatte sie gut geschlafen. Jetzt war sie noch sehr schwach, aber doch schon ungeduldig, wenn sie an Karel und Micha dachte. Der Pfarrer hatte ihr verraten, daß man ihnen Hilfe mit einem Hubschrauber gebracht hätte … weiteres hatte man nicht mehr erfahren. Der Arzt und die anderen Männer mußten abgesprungen sein, der Hubschrauber war sicherlich nach Pilsen zurückgeflogen –, nun konnte man nur noch warten und beten.
    Das war eine Auskunft, die Irena nicht befriedigte. Noch einen Tag Kraft sammeln, dachte sie. Nur noch einen Tag liegen, und eine Nacht durchschlafen … dann bin ich stark genug, wieder zurück in die Schlucht zu gehen. Sie kannte jetzt den Weg.
    Doch nun war Leutnant Muratow da, der große blonde Junge aus der Ukraine, und er saß am Bett wie ein Hypnotisierter, mit glänzenden blauen Schaukelpferdeaugen. »Du wiedder gesundd«, sagte er in seinem harten Deutsch. »Das issst schönn! Schokoladde?«
    »Danke, jetzt nicht.« Irena sah auf den kleinen Fleck blauen Himmels im oberen Kreuzwerk des alten Pfarrhausfensters. Draußen schien die Sommersonne, reifte das Korn, wiegten sich die Blumen im warmen Wind. Wie mochte es jetzt in der einsamen Schlucht hinter dem Sumpf aussehen? Lebte Lucek noch? War der Arzt noch als Retter gekommen oder als Bestätiger des Todes? Welche Qualen der Ungewißheit mußte Pilny durchgestanden haben.
    »Woran denkst du?« fragte Muratow.
    »An zu Hause.«
    »Oh, zu Hause.« Muratow schob das Fotoalbum über die Steppdecke, klappte es auf und nickte Irena zu. Sie beugte sich vor und blickte auf das Bild einer rundlichen Frau in einem einfachen Baumwollkleid. »Mamuschka –« sagte Muratow liebevoll. »Das ist Mamuschka, Irena!«
    Es war rührend anzusehen, wie er das Album durchblätterte und ihr alles erklärte. Sie lernte den Vater kennen, die Geschwister Semjon Alexejewitschs, das Haus, den kleinen Garten mit den Sonnenblumen und den Kirschbäumen, das Gut des Onkels am Don, die Datscha der Tante Larissa, die eine Opernsängerin war und viel Rubel verdiente; sie sah Muratow als Schüler in einem Boot und auf einer Reise durch die Krim; dann folgten Bilder aus der Kadettenzeit, Fotos von anderen Kameraden, von der ersten Offiziersuniform, von Landschaften am Baikalsee und im Ural, wohin ihn die Militärübungen geführt hatten. Ein ganzes Leben in Bildern breitete sich vor Irena aus, und Muratow war glücklich wie ein kleiner Junge.
    »Gefallen dir Fottos?« fragte er, als alle Aufnahmen betrachtet waren und er das Album zuklappte.
    »Sehr. Es muß ein schönes Land sein, Ihr Rußland, Leutnant Muratow.«
    »Nennen Sie mich Semjon Alexejewitsch, Irena. Muratow … das klingt so fremd, so hart.«
    »Sie lieben Ihre Heimat?«
    »Es gibt kein schöneres Land auf dieser Welt. Rußland … das ist für uns nicht nur Erde oder Heimat … das ist die Geliebte und Mutter, das ist alles …«
    »Und Sie würden alles für Ihr Land tun, Semjon Alexejewitsch?«
    »Alles, Irena!«
    »Und da wundern Sie sich über die Tschechen, die ihre Heimat so lieben wie Sie?«
    Muratow nickte. Er hatte in den letzten Tagen viel Zeit gehabt, über manches nachzudenken. Als er in der Nacht zum 21. August in das fremde Land einmarschierte, empfand er es als selbstverständlich, Freunde vor einem Feind zu beschützen, vor allem vor den Deutschen, die im Großen Vaterländischen Krieg 10 Prozent der

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