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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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einschleppt.
    Die Geheimpolizei, am 21. August unsichtbar und zu 99 % mit Beamten besetzt, denen vor Angst der Darm zuckte, arbeitete wieder auf Hochtouren, stellte Listen von Intellektuellen zusammen, die Tschernowskij mit seinen eigenen Listen verglich, legte Verhaftungspläne vor, sogenannte ›Einschlagverhaftungen‹, was soviel bedeutete: Alle, die auf der Liste stehen, werden an einem Tag, zur gleichen Minute verhaftet, so daß keine Warnungen erfolgen können und keine Fluchtversuche; die Redaktionsräume der Zeitungen und Zeitschriften werden durchsucht, die Funkhäuser und Universitätsinstitute.
    Andrej Mironowitsch Tschernowskij war zufrieden mit dieser Fleißarbeit bis auf den Schönheitsfehler, daß der Aufenthalt von Karel Pilny und mit ihm auch der von Michael Lucek fehlte. So angestrengt seine Agenten auch herumhorchten und sogar hohe Geldsummen boten (die Tschernowskij aus eigener Tasche opferte, so unbändig war sein Haß auf den blonden Jüngling), es gab niemanden, der sie verriet. Man wußte in Prag auch wirklich nicht, wo sie sich verborgen hielten … nur ein paar Männer der ›Civilni obrana‹ kannten das Versteck anhand der Funkmeldungen Pilnys. Und ihnen hätte man die Köpfe abschlagen können … sie hätten geschwiegen.
    In dem geheimen Druckereikeller rasselte wieder die Maschine und druckte Flugblätter, Aufrufe, Plakate gegen die Sowjets und eine vierseitige Kampfzeitung. Drei Studenten der Slawistik hatten die Leitung der verwaisten Gruppe übernommen … Lucek hatte sie schon vorher bestimmt, falls ihm etwas zustoßen sollte.
    Im ganzen Land fühlten sich die Sowjets jetzt wie Aussätzige.
    In den Dörfern erhielten sie kein Wasser, in den Läden keine Ware, auf Fragen falsche Auskünfte. Die gesamten Nachschubplanungen kamen ins Wanken. Man konnte nicht alles auf dem Luftwege heranschaffen – rund 600.000 Soldaten und Spezialisten, die jetzt im Lande waren, Tausende von Panzern und Fahrzeugen brauchen Verpflegung, Treibstoff, Kleidung und Ersatzteile. Innerhalb weniger Stunden wurde für die Sowjets die Logistik – der gesamte Versorgungsapparat einer Truppe bei kriegsmäßigem Einsatz – zu einem Problem, das sie längst als überwunden betrachteten.
    Aus dem besetzten Land war nichts zu holen – man war ja als Freund gekommen! – und den Nachschub über den Schienenweg hemmten unvorhergesehene Schwierigkeiten. Bis zur tschechischen Grenze rollte alles planvoll, aber dann mußten die sowjetischen Breitspurwagen auf die tschechischen Normalspurwagen umgeladen werden, es mußten tschechische Loks davorgespannt werden, man mußte das tschechische Schienennetz benutzen, den gesamten komplizierten Betrieb einer Eisenbahn, – und hier brach alles zusammen.
    Die Loks waren plötzlich fast alle in Reparatur, die Weichen wurden geflickt, die Telefone versagten … es war, als habe die Tschechoslowakei das schlechteste Eisenbahnnetz der Welt. Jedes Bähnchen in einer Bananenplantage von Honduras fuhr sicherer und pünktlicher als die Staatsbahn der CSSR.
    Noch nie gab es in diesen Tagen so viele Kranke wie unter den Eisenbahnern. Und als am 23. August der Generalstreik begann, standen die Russen inmitten von Gebirgen voller Nachschub und konnten nur noch mit den Zähnen knirschen.
    Im ganzen Land montierte man ab. Alle Straßenschilder verschwanden, Richtungsweiser und Hausnummern wurden abgeschraubt und an anderen Orten wieder angebracht, die großen Wegweiser an den Fernstraßen wurden zerstört, die Leuchtkästen zertrümmert, nur jeweils ein Schild blieb immer übrig, wurde übermalt und verkündete:
    Bis Moskau 1.800 km.
    Am unheilvollsten erwies sich das Umstellen der Wegweiser. So geschah es, daß eine polnische Panzertruppe, von Mährisch-Ostrau kommend und auf dem Marsch nach Gottwaldow, fröhlich den Straßenschildern folgte und plötzlich wieder in Polen landete.
    Eine Kolonne der Sowjets mit Verpflegung und Munition fuhr mangels guter Autokarten stur den Wegweisern nach. Aber anstatt nach Pilsen zu kommen, zogen sie ins Erzgebirge. Das machte sie nicht stutzig, wer kannte denn dieses Land? Auch daß einige junge Tschechen auf Mopeds der Kolonne vorausfuhren, immer ein paar Stunden früher, fiel ihnen nicht auf. Wer wußte schon, daß die Jungen die Schilder umstellten und die brav dahinbrummende Sowjetkolonne umdirigierten? Erst, als die immer schmaler werdende Straße im Nichts, in den Felsen endete, merkten auch die Offiziere, daß hier etwas nicht stimmte. Aber da war

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