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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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die Gewalt hasse, die eure Panzer jetzt in dieses friedliche Land getragen haben, werde ich gleich den Rucksack über die Schultern nehmen und in diesen Wald hineingehen. Verstehst du das?«
    »Nein, Irena –« sagte Muratow ehrlich. »Wo willst du hin? Über die Grenze? Dann ist das ein falscher Weg.« Er drehte sich um und blickte die beiden Tschechen an, die hinter ihm standen. »Warum belügt ihr mich alle? Ihr wollt unsere Panzer in die Luft sprengen!«
    »Das werde ich nicht tun, und ich verspreche dir das, Muratow.« Sie stand dicht vor ihm und wußte in diesen Augenblicken, daß sie ein verteufelt gefährliches Spiel wagte. Doch es gab nur diesen einen Ausweg … der andere endete tödlich für Muratow. »Willst du mitkommen?«
    »Wohin?« fragte Muratow.
    »Das ist blanker Wahnsinn!« rief einer der Tschechen. »Nehmen Sie den Rucksack, Genossin, und überlassen Sie uns den Russen.«
    »Nein!« Sie warf die blonden Haare in den Nacken und band sie mit einem Schal zusammen. »Er soll leben.«
    »Es geht um mehr als um ein Menschenleben, Genossin!«
    »Es gibt nichts Höheres als ein Menschenleben! Mein Gott, wie kann man nur mit einem Leben so einfach umgehen wie mit einem Grashalm, den man beim Vorübergehen aus der Wiese rupft? Wir müssen eine andere Lösung des Problems finden.«
    »Dann suchen Sie diese Lösung!« Der Fahrer des Wagens grunzte unwillig. »Aber suchen Sie schnell … wir müssen gleich wieder zurück! Achthundert Meter nördlich von hier liegt eine sowjetische Panzereinheit. Wir möchten nicht von den Patrouillen entdeckt werden.«
    »Kommst du mit?« fragte Irena wieder und blickte Muratow in die großen runden Kinderaugen. Über Muratows Gesicht zuckte eine wilde, innere Erregung. Er hatte die Fäuste geballt und schlug sie jetzt gegeneinander.
    »Werde ich morgen früh bei meiner Truppe sein?«
    »Nein.«
    »Wann werde ich meine Kameraden wiedersehen?«
    »Nie mehr. Muratow.«
    »Nie mehr? Und meine Heimat?«
    »Ich fürchte, auch Rußland nicht mehr.«
    »Mamuschka … Kiew …«
    Irena legte ihm beide Arme auf die Schulter. Sie verstand die Qual, die aus seinen Augen schrie. Von wem wird schon verlangt, daß er in fünf Minuten sein Leben ändern muß, untertauchen soll in eine Zukunft, die unbekannter ist als die Tiefe des Meeres?
    »Und wenn ich nicht mit dir gehe, dann erschießen sie mich?« sagte Muratow heiser.
    »Ich befürchte es.«
    »Wir werden es tun müssen, Leutnant!« sagte einer der Tschechen auf deutsch hinter Muratow.
    Muratow nahm die Hände Irenas von seiner Schulter, küßte die Handflächen und sah dann empor in den Nachthimmel. »Gehen wir –« sagte er tonlos.
    Er tappte zum Wagen zurück, nahm den schweren Rucksack vom Boden, warf ihn über seine breite Schulter und starrte in das Dickicht des Urwaldes.
    »Es ist heller Wahnsinn, was Sie da machen!« sagte der Fahrer des Wagens zu Irena. »Er wird Sie im Wald überwältigen und zu seinen Leuten bringen.«
    »Das wird er nicht tun. Ich vertraue ihm.«
    »Wir sollten ihn betäuben, wegschaffen und an einer ganz anderen, weit entfernten Stelle aus dem Wagen werfen.«
    Irena schüttelte den Kopf. »Dann wird man ihn degradieren und nach Sibirien verbannen. Er wird diese Schande nicht überleben.«
    »Du hast Mitleid mit ihm?«
    »Ja. Er ist ein guter Mensch. Nur weiß er jetzt nicht mehr, wohin er gehört. Er steht zwischen zwei Welten, und sie sind Mühlsteine, die ihn langsam zermahlen. Man muß ihm helfen.«
    »Indem du ihn zu Pilny bringst? Irrsinn! Was willst du später mit ihm machen, drinnen, in den Schluchten?«
    »Das weiß ich noch nicht.« Irena hob die Schultern. Sie fror plötzlich, wenn sie an die Probleme dachte, die in den nächsten Tagen zu bewältigen waren. »Es wird sich alles irgendwie klären. Das Wichtigste ist jetzt, daß ich zurück zu Karel komme …«
    Die beiden Tschechen blieben neben ihrem Wagen stehen und sahen Muratow und Irena nach, bis sie im Dunkel des Waldes verschwanden. Muratow ging voraus, den schweren Rucksack auf der Schulter. Er hatte keinen Abschied genommen, sondern abseits gewartet, bis Irena zu ihm trat und sagte: »Es ist soweit. Gehen wir –«
    »Das gibt eine Katastrophe«, sagte der Fahrer zu dem anderen Tschechen. »Wir hätten es nicht zulassen dürfen. Er liebt das Mädchen und tut alles, was sie will. Nur von Pilny weiß er noch nichts. Teufel noch mal, wie wird das sein, wenn sie Pilny gefunden haben und Muratow erkennt, daß er nur ein dummer Tanzbär

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