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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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größten Brennstoffhandlungen, war Millionär geworden und wohnte in einer großen Villa. »Wenn schon«, hatte Mutter Bozena gesagt und die Lippen zu einem Lächeln der Verachtung verzogen – »ein Saukerl ist er bestimmt geblieben!«
    An diesen Saukerl erinnerte sie sich nun, als Pilny in größter Gefahr war. Das Auftauchen Tschernowskijs in ihrer Wohnung und das Verhör durch diesen eleganten Russen hatten ihr bewiesen, daß Karel zu einer wichtigen politischen Figur geworden war.
    Nach den ersten wilden Tagen des sowjetischen Einmarsches hatte sich das Leben in der CSSR wieder normalisiert, soweit man das so nennen kann, wenn fremde Armeen im Land stehen. Nach der Rückkehr Dubceks, Svobodas und Smrkovskys aus Moskau hatten sich die Wogen der Erregung etwas geglättet, die Eisenbahnen fuhren wieder und auch die Post wurde befördert.
    Und so schrieb Frau Plachová an Bohumil Jandrez in Wien einen langen Brief und legte ihm einige handschriftliche Notizen Pilnys bei, die sie in seinem Zimmer gefunden hatte.
    »Es wird dir nicht schwerfallen, einen Gruß aus Wien zu senden«, schrieb sie. »Mit fremden Schriften hast du dich ja genug befaßt –«
    Vetter Bohumil war weit davon entfernt, Bozenas Gemeinheit übelzunehmen. Er hatte in den vergangenen Tagen oft am Radio gesessen und kannte in großen Zügen die Tätigkeit Karel Pilnys. Und da ein Tscheche auch in Wien immer ein Tscheche bleibt, der sein Land über alles liebt, befaßte sich Bohumil intensiv mit einer Ansichtskarte, die den Prater zeigte und auf der zu lesen stand:
    Liebe Mutter Bozena,
    wir sind gut in Wien angekommen und in der herrlichen Freiheit. Hier können wir jetzt mehr tun als in Prag … wir werden die Welt aus ihrer Trägheit rütteln. Grüßen Sie mir die Moldau.
    Karel Pilny
    Frau Plachová brauchte selbst eine ganze Zeit, um zu glauben, daß Pilny diese Zeilen nicht selbst geschrieben hatte, sondern der dicke Vetter Bohumil. Vier Stunden lief sie mit der Ansichtskarte des Praters herum, trank drei Kognaks, betrachtete immer wieder die Schrift, verglich sie mit anderen Aufzeichnungen Pilnys und fand keinen Unterschied.
    »Er ist doch ein Saukerl, der Bohumil!« sagte sie dann. »Und so etwas hat man in der Verwandtschaft! –«
    Nach dem vierten Kognak zog sie sich um und begann ihren großen Alleingang. Zunächst zeigte sie die Karte allen Bekannten, dem Bäcker, dem Metzger, dem Gemüsemann, dem Zigarrenverkäufer und der Wäscherei. Das war besonders wichtig, denn von dort sprach sich die Neuigkeit schnell herum, genauso wie vom Friseur.
    Nach dieser Lokalrunde fuhr sie mit dem nächsten Omnibus zum Sitz der Geheimpolizei. Ohne Scheu betrat sie das Gebäude und schrie den ersten Beamten, der sich ihr in den Weg stellte, an.
    »Wer ist zuständig für Karel Pilny?«
    »Für wen, bitte?« fragte der Beamte zurück.
    »Für den gesuchten Staatsfeind Pilny, Sie Hohlkopf! Vor einer Stunde wurde es im Rundfunk verbreitet. Ich weiß, wo er ist!«
    »Sie wissen es? Zimmer 25 –«
    Der Beamte starrte ihr nach, wie sie – groß, hager, mit flatterndem Rock –, den Flur entlangrannte zu Zimmer 25.
    Eine Verrückte, dachte er. Pilny ein Staatsfeind? Blödsinn!
    Er hatte die neuesten Meldungen noch nicht gehört.
    Der Mann im Zimmer 25 aber war informiert. Er unterhielt direkten Kontakt zu Oberst Tschernowskij in Horni Vltavice und wirkte ausgesprochen unglücklich, als Frau Plachová erschien, eine Postkarte schwenkte und ohne Umschweife schrie:
    »Ich weiß, wo Pilny ist! Ich weiß es! Was sagen Sie nun?«
    »Wenig«, knurrte er. »Sie riechen nach Alkohol, Genossin. Gehen Sie nach Hause und schlafen Sie sich aus. Morgen früh sieht die Welt anders aus … ich möchte darum wetten.«
    »Und Pilny? Der Staatsfeind?«
    »Hinaus!« brüllte der Mann hinter dem Schreibtisch.
    »Er ist in Wien!« brüllte Mutter Bozena zurück.
    Der Mann zog den Kopf zwischen die Schultern, und plötzlich lächelte er. »In Wien, sagen Sie, Genossin? In Wien! Das ist gut. Das ist sogar sehr gut! Ist das sicher? Wien ist wunderbar!«
    »Ich habe eine Karte von ihm bekommen.«
    »Her mit ihr! Her damit! In Wien!« Der Mann las die wenigen Zeilen und schien nun ausgesprochen glücklich zu sein.
    Er griff zum Telefon, wählte eine Nummer, wartete, nannte einen Namen, verlangte eine Chiffrenummer und wartete wieder. Dann lächelte er breit und nickte Frau Plachová zu, während er die Hand über die Sprechmuschel legte. »Da ist er!« Und dann laut: »Hier Sektion I

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