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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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in Prag, Herr Oberst?« Plötzlich sprach er russisch. »Wir haben den Aufenthalt von Pilny. Ja, denken Sie. Eine Frau brachte uns die Nachricht. Eine Frau Plachová.« Er wandte sich erstaunt zu Mutter Bozena, denn Tschernowskij schien außergewöhnlich gut informiert zu sein. Er kannte Frau Plachová! Hochachtung vor diesem schnüffelnden Spezialisten aus Moskau! »Sind Sie die Zimmerwirtin von Pilny?«
    »Ja. Wie sollte ich anders an die Karte kommen? Warum sollte Pilny gerade mir sonst schreiben?«
    »Natürlich!« Der Beamte nickte ins Telefon. »Ja, sie ist es. Die Zimmerwirtin. Ganz klar … Pilny ist in Wien. In W-i-e-n! Nein, kein Irrtum. Die Karte ist echt. Ich werde sofort Schriftvergleiche anstellen lassen. Es ist ihm gelungen, aus dem Land zu kommen. Schweinerei, so etwas!« Aber es klang gar nicht wütend, sondern eher triumphierend. »Haben Sie noch Wünsche, Herr Oberst?«
    Tschernowskij hatte Wünsche, viele sogar. Der größte von allen war, wieder zurück nach Moskau zu fliegen, sich eine Datscha irgendwo in den Wäldern zu kaufen und nichts mehr zu hören und zu sehen. War die Karte echt und Pilny trotz aller Grenzsperren nach Osterreich entkommen, so war auch Valentina nicht mehr in der CSSR.
    Nach Wien!
    Tschernowskij starrte gegen die getünchte Wand seines kleinen Zimmers im Bürgermeisteramt von Horni Vltavice. Nach 24 Stunden Strom- und Wassersperre hatte man den passiven Widerstand gegen ihn aufgegeben. »Es hat keinen Zweck«, sagte der Parteisekretär. »Man kann ihn nicht mit unseren Mitteln aushungern. Er bekommt es fertig und schafft sich eine eigene Luftbrücke. Ignorieren wir ihn, übersehen wir ihn, er ist Luft für uns … alles andere schadet doch nur uns selbst.« Also leuchtete das Licht wieder, das Wasser rauschte aus den Kränen, die Wirtschaft gegenüber schickte das Essen zu Tschernowskij, das er stets in tschechischen Kronen bezahlte. Nur sprach keiner mit ihm … die Kellner waren stumm, der Bürgermeister sagte nur ja und nein, die städtischen Angestellten schienen allesamt ohne Zunge geboren worden zu sein. Tschernowskij übersah das mit steifer Borniertheit; er hatte nichts anderes erwartet in einem Land, dessen größter Stolz die Liebe zur Heimat ist.
    Nach Wien, dachte er unentwegt. Ich kenne Wien sehr gut. Dort lebt einer meiner Schneider, dort habe ich in einem kleinen Hotel mein ständiges Zimmer, dort kenne ich viele V-Männer, die ich auf Pilny ansetzen kann und die ihn auch finden werden.
    Aber lohnte es sich noch, nach Wien zu fahren? Die politische Aufgabe war mit der Flucht Pilnys nach Österreich beendet … was jetzt noch seine Aktivität aufstachelte, war lediglich die persönliche Rache an Michael Lucek. Und hier stand Tschernowskij vor einem Rätsel. Wie war es möglich, daß ein so schwerverletzter Mensch ohne Aufsehen über die Grenze kam? Pilny und die Weiber mußten ihn getragen haben, kilometerweit durch die Wildnis der böhmischen Wälder. Aber dann im Todesstreifen?
    Tschernowskij fand dafür keine Erklärung. Nach der Kriegsgerichtsverhandlung, in der man den Leutnant Muratow zum Tode verurteilte, kehrte er von Pilsen sofort nach Horni Vltavice zurück und wartete auf den Besuch von Frau Plachová, die er mit einem schnellen, geschlossenen Wagen zu sich herholte.
    »Sie sind es?« sagte Frau Plachová heuchlerisch, als sie Tschernowskij gegenüberstand. »Daß ich Sie noch einmal wiedersehe … Hätte ich das gewußt, wäre die Karte längst verbrannt!«
    Oh, sie spielte ihre Rolle gut, so vollkommen, daß Tschernowskij ihr glaubte. Er betrachtete die Karte, ließ sich den Text übersetzen und verglich die Schrift mit den Notizblättern, die der Geheimdienst in dem Zimmer Pilnys beschlagnahmt hatte.
    »Es ist gut«, sagte Tschernowskij steif zu Mutter Bozena, die ihre Karte in den Akten der Russen verschwinden sah. »Man wird Sie zurück nach Prag bringen. Sie zu fragen, hat doch keinen Sinn … Sie wissen natürlich von nichts!«
    »Von gar nichts. Nur die Karte –«
    »Danke –«
    Frau Plachová wurde zurück nach Prag gebracht, vor ihrem Haus abgesetzt und erhielt einige feste Händedrucke. Oben, in ihrer Küche, bei einem Gläschen Kognak, hatte sie das stolze Gefühl, ihrem Vaterland einen großen Dienst erwiesen zu haben, auch wenn niemand darüber sprach.
    Das große, mächtige Rußland war von ihr betrogen worden. Das will schon etwas heißen, nicht alle Tage kommt so etwas vor.
    Trotz aller Freude aber bohrte die Angst in ihrem

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