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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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später, nachdem sie Michael Lucek verloren hatten, endete der Marsch in die Freiheit vorerst in einem dicht bewachsenen, mit Dornenhecken verfilzten Hohlweg. Muratow, der jetzt an der Spitze ging, hob plötzlich die rechte Hand. Sofort blieben Pilny und Irena stehen. Muratow kam zu ihnen zurück. In seinem Gesicht lasen sie große Sorge.
    »Ich habe Motorengeräusche gehört«, sagte er leise. »Ihr nicht?«
    »Nein.« Pilny lauschte in die Nacht, aber außer dem Rauschen der Baumwipfel vernahm er nichts, was nach Motoren klang.
    »Du hast dich auch nicht geirrt?« fragte er zweifelnd.
    »Nein. Ich habe gute Ohren. Da –« Muratows Augen verengten sich. »Da ist es wieder. Hört ihr?«
    »Keinen Ton.« Pilny schüttelte den Kopf. »Semjon Alexejewitsch, du bist fast wie ein Indianer. Hörst du etwas, Irena?«
    »Nur das Rauschen …«
    »Auf jeden Fall muß jetzt jeder Schritt überlegt werden.« Pilny nestelte die Karte aus seinem Gürtel und faltete sie auf. Im Schein einer mit der hohlen Hand abgeblendeten Taschenlampe betrachtete er die gezeichnete Gegend und fand, daß man die Karte nach einer Luftaufnahme hergestellt haben mußte. Hier unten, auf der Erde, sah alles ganz anders aus. Nur soviel war in der Landkarte richtig, daß nach knapp tausend Metern der Wald überging in ein hügeliges Wiesengelände, durch das sich ein Bach schlängelte. Hier begann auch ein Weg, ein ausgefahrener Pfad für die Trecker der Holzfäller.
    »Wenn wir an dieser Stelle herauskommen«, sagte Pilny und zeigte auf das Ende des Waldes auf der Karte, »haben wir die Möglichkeit, in der nächsten Nacht bis an die Grenze zu kommen. Den Tag über hauen wir uns irgendwohin und schlafen.« Er strich mit dem Zeigefinger über die Karte, die gestrichelte Linie entlang, die das Gebiet in zwei Staaten teilte. »Wenn man bedenkt, wie nahe man der Freiheit ist … und wie weit ist sie doch.«
    Von nun an gingen sie langsamer weiter, blieben oft stehen und lauschten in die Dunkelheit. Nach einigen hundert Metern hörten auch Pilny und Irena das Geräusch und blieben stehen. Muratow grinste sie wie um Verzeihung bittend an.
    »Panzer –«, sagte er knapp.
    »Russische?«
    »Es können keine anderen sein. Die tschechischen Truppen haben den Befehl, in ihren Kasernen zu bleiben.«
    »Dann weiter nach rechts –«
    »Es ist das Aufmarschgebiet meiner Division. Wir werden überall auf Soldaten stoßen.« Muratow ließ die Rucksäcke von seiner Schulter gleiten und winkte Pilny zur Seite. Sie traten ein paar Schritte von Irena weg, die ihnen ängstlich nachblickte.
    »Ich will dir etwas vorschlagen«, sagte Muratow leise. Seine Stimme klang plötzlich wie mit Rost belegt. »Ihr könnt euch freier bewegen, wenn ich nicht bei euch bin. Meine Uniform … und überhaupt … ich bin nur eine Last. Seid vernünftig, laßt mich allein weitergehen.«
    »Ein Rindvieh bist du!« sagte Pilny grob. »Wir gehen gemeinsam über die Grenze. Irgendwo finden wir einen Durchschlupf.«
    »Versprich mir, daß du auf Irena aufpaßt.« Muratow ergriff Pilnys Hände und umklammerte sie. Seine Augen flatterten. »Mach sie glücklich, Karel. Der Teufel soll dich holen, wenn sie unglücklich wird –«
    »Nimm die Rucksäcke und lauf weiter!« Pilny riß seine Hände aus Muratows zitternden Fingern. »Ich wäre ein Schwein, wenn ich dich zurückließe! Und deine Uniform … vielleicht brauchen wir gerade die! Wissen wir, in welche Situationen wir noch kommen?«
    Ohne eine Antwort abzuwarten, wandte er sich ab und stapfte weiter in die Dunkelheit hinein. Muratow und Irena folgten ihm … der Hohlweg endete an einem Abhang, sie rutschten ihn hinab und erklommen den gegenüberliegenden Hang, aus dem die nackten Felssteine hervorstachen wie Warzen.
    Hier oben blieben sie alle drei stehen und starrten auf das Bild, das sich zu ihren Füßen darbot.
    Ein Zeltlager inmitten des lichter werdenden Waldes. Vereinzelte Lagerfeuer, ein Küchenzelt mit dampfenden Rohren, unter den Bäumen, aufgereiht und in mustergültiger Ausrichtung, Lastwagen an Lastwagen. Auf der anderen Seite die mächtigen Stahlklötze der Panzer, von Scheinwerfern angestrahlt.
    Wie Ameisen wimmelten die Sowjetsoldaten zwischen den Zelten und Fahrzeugen, die Tarnnetze wurden abgezogen und eingerollt, eine Reihe von Mannschaftszelten lag schon niedergerissen auf der Erde. Andere Kolonnen beluden die Lastwagen.
    »Sie bauen ab. Sie verlassen dein Land –«, sagte Muratow leise zu Pilny. Es war, als weine er

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