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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wunderbare Stadt …«
    Das Netz, in dem sich Karel Pilny fangen sollte, war gespannt. Und es gab, man darf es glauben, nie eine herrlichere Spinne als Valentina Kysaskaja.

II
    Der Morgen begann wie jeder andere. Die Sonne kletterte über die Schindeldächer von Prag und vergoldete sie. In den engen Gassen der Altstadt wurden die Schatten heller, über die unbeweglichen Gesichter der barocken Steinfiguren zog das Lächeln des Lichts. Prag erwachte.
    Frau Plachová hatte den Morgenkaffeetisch gedeckt. Es duftete durch die Wohnung nach frischen Brötchen und starkem Kaffee. Karel Pilny liebte diesen Duft, er erinnerte ihn an seine Kindheit. Er war damals jeden Morgen um ihn, wenn er aus dem Bett kletterte und mit nackten Sohlen hinüber zur Küche trabte, wo die Mutter am Herd stand und sprudelndes Wasser in eine – für seine damaligen Begriffe – riesengroße Kanne goß. Die frischen Brötchen hingen schon draußen an der Haustür in einem Leinensack, denn um 6 Uhr früh fuhr der Bäckerjunge herum, mit einem großen Korb vorn auf dem Fahrrad.
    Heute ließ Karel Pilny sich Zeit. Er brauste lange und rasierte sich in Zeitlupe. Er wußte: Frau Plachová war wütend. Seufzend band er seinen Schlips, hängte die Sportjacke über die Schulter und verließ sein Zimmer. Der Geruch von Kaffee und Brötchen wehte ihm wohltuend entgegen. Sie ist wirklich wie eine Mutter, dachte er ein wenig traurig. Wie sagt man ihr, daß sie bald allein sein muß?
    Frau Plachová saß schon am Tisch, in einer gestärkten weißen Schürze, hochaufgerichtet, mit verschlossenem, beleidigtem Gesicht. Ihre knochigen Hände lagen im Schoß, die spitze Nase hatte einen weißen Fleck am äußersten Ende.
    »Guten Morgen, Mutter Bozena«, sagte Pilny unbefangen und setzte sich. Er wollte gleich nach der Zeitung greifen, die immer neben seinem Teller lag, aber da hinderte ihn ein Messer, das plötzlich mit einer knochigen Hand über den Tisch schnellte und die Zeitung festhielt. Pilny seufzte und lehnte sich ergeben zurück. »Ich weiß, ich bin ein Flegel«, sagte er. »Ich habe mich unmöglich benommen, habe mich drei Tage in den Weinbergen herumgetrieben, habe über Gebühr geliebt, ich bin ein verdorbener Junge; wenn meine Eltern noch lebten, würden sie sich die Haare ausraufen, ich bin undankbar und unreif, aus mir wird nie etwas und wenn ich nicht bei Mutter Bozena wäre, läge ich schon längst in der Gosse oder gammelte an der Moldau herum.« Er holte frischen Atem. »Habe ich etwas vergessen, Mutter Bozena?«
    »Ja!« Frau Plachová goß Kaffee in die Tassen. »Sie haben vergessen zu sagen: Verzeihen Sie, aber ich bin verliebt. Verliebte sind wie Verrückte. Sie haben mir das – warten Sie – ja, neunmal schon erklärt.«
    »Jetzt, beim zehntenmal, ist es ernst!«
    »Dummheit!«
    »Nein. Ich habe Ihnen viel zu sagen, Mutter Bozena.« Pilny ließ es geschehen, daß Frau Plachová für ihn das knackende Brötchen aufschnitt, mit Butter bestrich und einen Löffel selbsteingekochter Erdbeermarmelade darauf pappte. Wie einem kleinen Jungen schob sie ihm dann die Brötchenhälfte mit dem Teller zu. »Zunächst das Wichtigste: Ich werde ausziehen.«
    Als im Mittelalter Prag von der Pest heimgesucht wurde und das Entsetzen in alle Mauerritzen kroch, als man ganze Stadtteile verbrannte, um die Krankheit auszuräuchern, war die Erschütterung nicht so groß wie jetzt bei Frau Plachová. Sie ließ das Messer fallen, die Butterdose kippte um, Erdbeermarmelade spritzte auf die frisch gestärkte Schürze, und ihr langes, knöchernes Pferdegesicht begann so wild zu zucken, daß Pilny aufspringen wollte, um einen Arzt zu rufen. Mein Gott, sie bekommt einen Schlag, dachte er. Ich habe es zu grob gesagt. Man hätte es langsam, tröpfchenweise in sie hineinträufeln müssen. Nun ist es zu spät … nun fällt sie gleich vom Stuhl.
    Aber Frau Plachová fing sich wieder. Sie schluckte mehrmals und bekam rote Augen. »Wo wollen Sie denn hin, Karel Pilny?«
    »In ein größeres Zimmer. Irena und ich wollen zusammenziehen. Es geht uns einfach um das Geld. Wir müssen sparen. Leider haben Irena und ich zwei Berufe, bei denen der Erwerb von Reichtum wie ein Märchen ist. Es geht jetzt um jede Krone, Mutter Bozena …«
    »Und warum bespricht man das nicht vorher mit mir?« Frau Plachová umfaßte die Tasse mit ihren langen, spinnendünnen Fingern. »Warum bringen Sie das Mädchen nicht zu mir, Karel Pilny? Neben Ihnen liegt eine Kammer, die unbewohnt ist … das

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