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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Haare müssen runter.«
    »Die Haare?« rief Irena entsetzt und griff sich an den Kopf.
    »Er hat recht, Irena.« Pilny setzte sich vor Muratow ins Gras und nahm die Mütze ab. Dann preßte er seinen Rucksack zwischen die Knie und kramte in ihm herum. »Eine Schere haben wir nicht«, sagte er dabei. »An alles haben wir gedacht, nur nicht an eine Schere. Aber das geht auch.« Er reichte Muratow eine mittelgroße, für Starkstrom abgesicherte Drahtschere und dann ein Taschenmesser. »Versuch es, Semjon.«
    Muratow betrachtete die Elektrodrahtschere, setzte sie dann an eine Strähne Pilnys und drückte zu. Es gab einen knirschenden Laut, fast so, als weinten die Haare laut auf, – aber die Locke fiel abgeschnitten auf Pilnys Schulter.
    »Es gelingt«, sagte Muratow. »Aber es ist eine böse Arbeit, Karel.«
    Eine halbe Stunde lang schnitt Muratow an Pilnys Haaren herum. Als die Stoppeln für die Drahtschere zu kurz wurden, nahm er das Taschenmesser, befeuchtete Pilnys Kopfhaut mit Tee und rasierte dann die Borsten ab, so wie man ein Schwein nach dem Abbrühen abschabt.
    Mit juckender, glutroter Kopfhaut, aber kahl wie eine Melone, erhob sich Pilny und strich sich mit beiden Händen über den Schädel.
    »Schrecklich siehst du aus«, sagte Irena.
    »Wie ein Russe –« sagte Muratow gepreßt. »Setz die Mütze auf … siehst du … jetzt bist du fertig! Und nun Irena …«
    Sie hockte sich vor Muratow ins Gras, nahm das Schiffchen ab und band die Haare los.
    Die folgenden Minuten waren für Muratow eine einzige Qual. Er schnitt mit der Drahtschere die langen, seidigen Strähnen ab, und als Pilny wegging, um vom Waldrand aus die Gegend zu beobachten, rollte er eine dicke Locke des goldenen Haares in seiner Hand zusammen und steckte den glänzenden Ballen in seine Hosentasche.
    Jetzt bist du bei mir, dachte er. Ich kann dich streicheln, und keiner sieht es. Ich kann dich küssen, und du wehrst dich nicht. Ich kann bei dir schlafen, und niemand reißt mich zurück. Du bist immer bei mir, Irenuschka –
    Dann war auch Irenas Schädel kahl, nur ein blondes Stoppelfeld blieb übrig. Die Tortur, sie mit dem Taschenmesser zu rasieren, lehnte Muratow schwer atmend ab.
    »Sieht unser Rekrut Pjotr Nikolajewitsch nicht gut aus?« sagte Muratow nachher mit krampfhafter Fröhlichkeit. »Genossen, jetzt fallen wir nicht mehr auf. Wir werden eine perfekte Streife bilden. Ein Leutnant und zwei Soldaten. Keiner wird uns mehr aufhalten.«
    »Und die Rucksäcke?«
    »Wir haben sie erobert! Abliefern wollen wir sie. Es wird niemanden geben, der das bezweifelt!«
    Als sie endlich abmarschierten, zunächst nach Norden, war es vier Uhr nachmittags.
    Die Grenzen waren geschlossen. Die sowjetischen Truppen hatten Alarm bekommen. Tschernowskijs Falle war weit geöffnet.
    Nach einer Stunde, etwa um die gleiche Zeit, in der die drei sowjetischen Suchtrupps, aufgeschreckt durch zwei Schüsse, die Wildnis durchkämmten und das Lager Luceks erreichten, kamen ihnen im Wald zwei russische Soldaten entgegen. Muratow, der in der Mitte ging, knirschte mit den Zähnen.
    »Ruhig weitergehen –« sagte er zwischen den geschlossenen Lippen. »Wir sind ja auch eine Streife –«
    Die beiden Sowjetsoldaten blieben stehen, als sie die fremde Patrouille sahen und grinsten breit. Dann erkannten sie den Offizier und standen stramm. Muratow ging unverdrossen weiter. Ganz kurz blickte Irena zur Seite auf Pilny. Sein Gesicht war hart und kantig geworden. Das Herz klopfte ihr an der Kehle.
    »Vorkommnisse?« bellte Muratow die beiden Soldaten an. Er stand jetzt dicht vor ihnen, neben sich Pilny, Irena war zwei Schritte zurückgeblieben mit weiten flackernden Augen.
    »Nichts, Genosse Leutnant«, meldete der eine Soldat.
    »Welche Truppe?«
    »Sechstes Panzerbataillon.«
    »Sehr gut. Wo liegen Sie?«
    »Zwei Werst westlich, direkt an der Grenze. Suchen Sie auch diesen Sabotagetrupp?«
    »Wie eine Henne ihre gestohlenen Eierchen. Und was ist das da?«
    Muratow zeigte nach vorn. Die beiden Soldaten fuhren herum.
    Was jetzt folgte, vollzog sich so blitzschnell, daß Irena erst begriff, als die beiden Panzersoldaten umfielen. Fast gleichzeitig hatten Muratow und Pilny zugeschlagen, mit der Handkante gegen den Hals, ein teuflischer Schlag, der sofort betäubte und keinen Laut mehr zuließ. Wie gefällte Bäume sanken die beiden Rotarmisten auf den Waldboden und streckten sich aus. Ihre Maschinenpistolen polterten neben sie.
    »Nun haben wir auch noch zwei

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