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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dem Militärleben.
    Eine halbe Stunde später hielt ein Wagen vor der Kommandanturbaracke. Valentina hob den Kopf und sah Kirollow fragend an.
    »Für Sie, Genossin«, sagte Kirollow, und plötzlich sprach er russisch.
    Valentina atmete tief auf. Verloren, dachte sie. Das Spiel ist aus. Ich weiß jetzt, wer dort draußen angekommen ist. Der Einsatz, Micha, war zu hoch.
    Kerzengerade, stolz, die langen schwarzen Haare lose über der Schulter, saß sie im Kreis der plötzlich stummen sowjetischen Offiziere, als die Tür aufsprang und Tschernowskij eintrat. Sein Gesicht glänzte … er wirkte jung wie ein strahlender Sieger.
    »Valentina Konstantinowna Kysaskaja!« rief er und streckte beide Hände nach ihr aus. »Ich wußte, daß wir uns wiedersehen. Wölfe ziehen sich gegenseitig an … sie sind nun einmal Herdentiere.« Dann packte er sie an den Schultern, riß sie zu sich empor und starrte in ihre flammenden, schwarzen Augen. »Jetzt wird die Hölle ausbrechen, mein Teufelchen«, sagte er heiser vor innerer Erregung. »In einen Vulkan werden wir springen … mitten hinein …«

XVII
    Michael Lucek lag im Sanitätszelt und trank Orangensaft. Er war frisch verbunden und hatte zwei Kreislaufinjektionen erhalten. Der Regimentsarzt, der zur persönlichen Erinnerung die zerfleischte Brust Luceks fotografierte, ehe er sie behandelte, hatte die entzündeten Wundränder mit einer Paste bedeckt, die herrlich kühlte und den brennenden Schmerz betäubte.
    Als Oberst Tschernowskij eintrat, saß Lucek auf dem Feldbett, und der Regimentsarzt hörte mit einem Membranstethoskop noch einmal die Atmung ab. Es pfiff bei jedem Luftholer, als blase man auf einer kleinen Pfeife … dann folgte ein Hustenanfall, der Lucek fast die Brust zerriß.
    »Aha!« sagte Tschernowskij laut und lächelte Lucek verzerrt an. »Unser großer Held! Wie geht es ihm, Doktor?«
    »Daß er lebt, wird mir immer ein Rätsel bleiben, Genosse Oberst«, antwortete der Regimentsarzt und steckte sein Stethoskop in die Jackentasche. »Er hat eine zähe Natur.«
    »Raubkatzen und Wölfe sind eine Gattung für sich.« Tschernowskij setzte sich auf einen Klappstuhl neben das Bett. Jetzt erst bemerkte Lucek, daß am Eingang des Zeltes auch Valentina stand. Die breite Gestalt Tschernowskijs hatte sie bisher verdeckt. Lucek sah sie stumm an, und sie erwiderte seinen Blick mit einer so starken inneren Kraft, daß er wortlos nickte und sich dem sowjetischen Oberst zuwandte.
    »Sie brauchen nichts zu sagen … Sie sind Tschernowskij«, sagte er langsam. »So habe ich Sie mir vorgestellt … zynisch und kalt wie ein eisüberzogener Felsen.«
    »Sie sind nicht sehr höflich, mein Lieber.« Tschernowskij sah den zögernden Regimentsarzt kurz an. Hinaus, hieß dieser Blick. Was jetzt hier gesprochen wird, hat mit Medizin nichts mehr zu tun. Jetzt ist das KGB im Zelt, die Faust Moskaus … verhüllen Sie Ihr Haupt, Doktor, und vergessen Sie, daß hier ein Verwundeter liegt.
    Der Regimentsarzt verstand. Er verließ schnell das Sanitätszelt.
    Tschernowskij genoß eine Weile die drückende Stille, die zwischen ihm, Lucek und Valentina lag. Es war wie das Vakuum, das einem Taifun vorausgeht, eine Luftleere, die den Atem wegnimmt. Valentina war näher gekommen und hatte sich jetzt auf das Feldbett neben Lucek gesetzt. Sie nahm seine Hände und streichelte sie. In den schillernden Augen Tschernowskijs las sie, daß jede zärtliche Bewegung ihrer Finger für ihn ein Schlag mit der Faust war. Darum tat sie es auch, und als Lucek wieder seinen Hustenanfall bekam und sich krümmte, legte sie den Arm um ihn, drückte ihn an sich und küßte ihn auf die keuchenden Lippen.
    »Welche Zärtlichkeit –« sagte Tschernowskij. Seine Stimme war rauh. »Bisher hatten Sie nur frauliche Formen, Valentina Konstantinowna, doch die abschreckende Kälte eines Eisberges. Plötzlich zeigen Sie Herz …«
    »Micha hat es entdeckt!« sagte Valentina laut. Es mußte Tschernowskij wie ein Hammerschlag treffen. Sie erkannte die Wirkung sofort … die Augen Tschernowskij wurden kleiner, schmaler und kälter.
    »Man sollte ihm dafür dankbar sein.«
    »Ich bin es bis zu meinem Lebensende, Andrej Mironowitsch. Es ist leider nur noch eine kurze Zeit –«
    »Sie also sind Tschernowskij«, sagte Lucek noch einmal, als er sich von dem Hustenanfall erholt hatte. Valentina stützte ihn mit ihrem Körper und streichelte über seine Haare und über die bleichen Wangen, auf denen sich nach dem Husten runde, rote

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