Bluthochzeit in Prag
Gesicht. Einen Augenblick schien es, als wollte Tschernowskij ihn erschlagen, beide Fäuste hatte er emporgerissen … dann ließ er die Hände sinken und wischte sich langsam den Speichel aus den Augen.
»Wir werden nach Prag fahren«, sagte er mit eisiger Ruhe. »Ich will den Untergang eines Menschen wie Sie genießen –«
Er drehte sich um und verließ schnell das Zelt. Lucek ließ sich zurückfallen gegen die Brust Valentinas. Vor seinen Augen schwankte alles, als sei er das Pendel an einer Uhr.
»Was hat er mit uns vor?« sagte er schwach. »Was brütet dieser Satan aus …«
»Kümmert es uns, Micha?« Sie beugte sich über ihn und küßte seine heißen Lippen. Er hat wieder Fieber, dachte sie. Er muß sofort in ein Krankenhaus. Wie sein Atem pfeift. »Tschernowskij ist ein Mensch, der große Worte liebt. Wenn wir wieder in Prag sind, gibt es hundert Augen, die seine persönliche Rache verhindern. Er wird uns laufen lassen und zurückgehen nach Moskau.«
»Aber er wird dich mitnehmen.«
»Nein! Er wird Valentina Kysaskaja aus seinem Gedächtnis streichen –«
Das war eine Lüge, aber sie sprach sie ohne Hemmung aus, weil sie sah, wie Lucek sich beruhigte und wie er an sie glaubte.
»Wir werden ein wunderbares Leben miteinander haben«, sagte er schwach.
*
Vor der Abfahrt nach Prag, für die sich Tschernowskij vom Regimentsstab einen viersitzigen Jeep auslieh, fand im Zimmer des Kommandeurs noch eine kurze Verhandlung statt.
Valentina Kysaskaja hatte darum gebeten, Tschernowskij unter vier Augen zu sprechen. Er hatte sofort zugesagt. Bevor sie das Zimmer betrat, wurde sie draußen von der Wache abgetastet.
»Hat er Angst, der Genosse Oberst?« fragte sie spöttisch, als man nichts Hartes an ihrem Körper als ihre Brüste und ihre Hüften fand. »Eine verborgene Pistole? Ein verstecktes Messer? Sie haben nicht überall gesucht, Genossen. Man kann ein Messer sehr gut zwischen den Beinen verstecken. Haben Sie keine Hemmungen … fassen Sie mir zwischen die Schenkel! Dienst ist Dienst, Genossen! Warum zögern Sie?«
»Gehen Sie hinein, Valentina Kysaskaja«, sagte der Unteroffizier der Wache heiser. »Nur eine Vorsichtsmaßnahme ist's … ich kann nichts dafür –«
Tschernowskij empfing Valentina, als habe er sie längst erwartet. Zwei Gläser standen bereit, und er entkorkte gerade eine Flasche seines geliebten französischen Kognaks. Er goß die bauchigen Gläser ein Drittel voll, roch an seinem Glas, schwenkte den Kognak etwas, damit er seinen Duft entfaltete, und blinzelte Valentina zu.
»Schon wegen ihres Kognaks sollten wir die Freunde der Franzosen werden«, sagte er. »Wie geht es Lucek?«
»Er schläft.«
Sie tranken in kleinen Schlucken die Gläser leer und sahen sich dann an wie zwei japanische Ringer vor dem Kampf.
»Es hat keinen Zweck, für ihn zu bitten«, sagte Tschernowskij endlich.
»Ich möchte Ihnen einen Tausch vorschlagen, Andrej Mironowitsch.« Valentina sagte es ganz ruhig, so, wie man eben ein Geschäft bespricht und einen Vertrag aushandelt. »Sie bringen Micha in ein Prager Krankenhaus und geben ihm damit die Chance, zu überleben … und ich werde heute nacht Ihre Geliebte …«
»Für eine Nacht? Wie in der Oper ›Tosca‹. Aber ich bin kein Scarpia, mein Täubchen. Eine Nacht … und dann zerfrißt mich die Erinnerung. Ich will Sie ganz, Valentina Konstantinowna. Mit Haut und Haaren sozusagen. Sie kommen mit mir zurück nach Moskau, ich werde über Sie einen glänzenden Bericht schreiben, Sie werden Ihren verdienten Urlaub bekommen … und dann fahren wir zusammen auf die Krim, schwimmen im tintenblauen Wasser, liegen im heißen Sand und füllen die Nächte mit Liebe wie einen Krug mit Wein.«
»Sie werden romantisch, Andrej Mironowitsch.« Valentina hielt ihm das Glas hin. Ihre langen schwarzen Haare wehten über ihr zuckendes Gesicht. »Gießen Sie ein, Genosse Liebhaber … voll das Glas … ich muß ein trunkenes Gehirn haben, um Sie weiter anzuhören.« Sie nahm das volle Glas und stürzte es in einem Zug hinunter. Tschernowskij erwartete einen Erstickungsanfall, aber es war, als habe sie Wasser getrunken. »Noch einen!« Sie hielt das Glas wieder Tschernowskij unter die Nase.
»Mein Täubchen, das erträgst du nicht –«
»Gieß ein, geiles Väterchen!« Sie setzte sich auf die Tischkante neben Tschernowskij und ließ die langen, herrlichen Beine pendeln. »Was siehst du mich so an? Warum die großen Augen? Bin ich nicht so, wie du mich haben willst?
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