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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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erst!
    Die Studenten leisteten keinen Widerstand. Er wäre auch sinnlos gewesen, angesichts der schweren Bewaffnung der Rotarmisten. Der Keller war verraten, eine der wenigen Stimmen der Wahrheit erlosch.
    Stumm standen die Studenten an den Kellerwänden, als die Sowjetsoldaten mit lauten »Stoj! Stoj!«-Rufen aufgeregt herumrannten und im Druckereikeller auf die ratternde Maschine schossen. Das war ein Fehler, denn von den massiven Eisenteilen prallten die Geschosse ab und jaulten als Querschläger durch das Gewölbe. Einer der Rotarmisten bekam solch ein Geschoß in den Schenkel und brüllte wie ein Stier.
    »Mitnehmen!« schrie ein junger Leutnant und fuchtelte mit einer schweren Nagan-Pistole vor den Augen des Studenten Jan Vobrek, der die Nachfolge Michael Luceks übernommen hatte. »Alle werden mitgenommen! Revolutionäre! Kapitalistenknechte! Schweine!«
    Die Studenten und Studentinnen – es waren auch sechs Mädchen in den Kellern, wo sie bis zuletzt mit flinken Fingern die Zeitungen zählten, die aus der Maschine flogen, sie verpackten und verschnürten – blickten sich stumm an und setzten sich dann wie auf ein lautloses Kommando auf den Steinboden. Auch um die noch immer ratternde Druckmaschine herum legten sich die Studenten auf die Fliesen und nickten den ratlosen Sowjetsoldaten freundlich zu.
    »Setzt euch daneben, Brüder«, sagte einer der Studenten auf Russisch. »Laßt uns diskutieren, was wahrer Sozialismus und Freundschaft ist.«
    Eine verfahrene Situation war's, der junge Leutnant erkannte das schnell. Er schoß mit seiner schweren Nagan in das elektrische Herz der Druckmaschine, es gab einen splitternden Krach, eine kleine Stichflamme huschte aus dem Elektrokasten … dann stand die Maschine still, die Zylinder schnauften noch zweimal über das Papier, der letzte Bogen wurde verschmiert ausgespuckt. Die plötzliche Ruhe, die darauf folgte, war bedrückend.
    »Mitkommen!« schrie der junge Leutnant wieder. »Dawai!«
    »Kein Dawai!« sagte Jan Vobrek höflich. »Wir sind hier zu Hause. Wir sind freie Bürger der Tschechoslowakei. Und ihr seid als Freunde gekommen, sagt ihr: Seit wann befehlen Freunde dem anderen Freund? Das ist wert einer eingehenden Diskussion, Genossen …«
    Der junge Leutnant überlegte kurz. Dann winkte er und zeigte auf die sitzenden Studenten. Die Rotarmisten grinsten und begannen, zu zweit oder zu dritt die Studenten zu packen, hoben sie hoch und trugen sie wie verkrümmte Baumstämme aus dem Keller. Oben, im Hof, waren drei sowjetische Lastwagen aufgefahren … in sie hinein warf man die Körper, wo sie stumm, mit verbissener Wut und der Duldungsbereitschaft von Märtyrern liegenblieben und nur zur Seite rutschten, wenn die nächsten Kameraden in den Wagen geschleudert wurden.
    Besonderen Spaß bereitete den Soldaten der Abtransport der Mädchen. Um die Körper gut packen zu können, griffen sie dort zu, wo sie rund und weich waren, und oft drängten sich sechs Russen vor einem liegenden Mädchen und balgten sich darum, wer sie wegtragen durfte. Auf der dunklen Kellertreppe geschah es dann, daß einige in die Blusen griffen oder die Hand unter den Rocksaum rutschte … dann schrien die Mädchen hell auf, als würden sie lebendigen Leibes enthäutet, und sie schrien so lange, bis die Hände sich zurückgezogen und die Russen verlegen und breit grinsend mit ihren schönen Lasten im Licht der Lastwagenscheinwerfer auftauchten.
    Als der Keller geräumt war, stiegen der Leutnant und drei Mann noch einmal hinab, in den Händen einige Metallkästen. Jan Vobrek, der vorne an der Klappe des Laderaumes hockte, sah sich zu seinen Freunden um.
    »Jetzt sprengen sie die Maschine«, sagte er. »Wie die Kinder benehmen sie sich. Was ist schon eine Maschine? Sie müßten 14 Millionen Köpfe sprengen, um Ruhe im Land zu schaffen!«
    Der Leutnant und die drei Soldaten kamen zurück, sprangen vorn in die Wagen und schlugen die Türen zu. Die Motoren heulten auf. Im gleichen Augenblick, als die Wagen anruckten, begannen die Studenten zu singen. Die Nationalhymne sangen sie, aber nicht freudig und feurig, sondern langsam, getragen, dumpf … ein Grabgesang auf die Freiheit, ein Totenlied auf das Völkerrecht.
    Aus dem Keller donnerten drei dumpfe Detonationen und mischten sich in den schleppenden Gesang.
    Aus den Fenstern beugten sich die Menschen, als die drei Lastwagen aus der Einfahrt des Hofes auf die Straße bogen. In den Hauseingängen standen sie, Fahnen in den Händen, und winkten

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