Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
es so wie hier … wo einmal Wald war, haben sie ihn gefällt und den Todesstreifen aus der Landschaft gehobelt. Es gibt keinen anderen Weg, Semjon … wir müssen hier durch …«
    »Aber nicht heute.« Sie standen am Waldrand, im dunklen Schatten der Bäume, und sahen, wie der Morgen langsam aufstieg, die Nebel sich verteilten und die Sonne durch den Dunst brach. Vor ihnen stieg ein Vogel trillernd aus dem Feld in den sich blau färbenden Himmel. Eine Lerche.
    »Ich weiß, was du meinst«, sagte Pilny. »Wir sollten beobachten, ob hier irgendwo eine Gasse ist … durch die Drahtverhaue, das Minenfeld, zur Grenze … Die Morgenkontrolle müßte uns das zeigen.«
    »Und gleichzeitig sehen wir, was sie machen.« Muratow schob die Mütze nach hinten in den Nacken. Er schwitzte plötzlich, obwohl es noch kühl war. »Morgen übernehmen wir dann die Kontrolle … wir drei … bis zum letzten Zaun … und dann hinüber …«
    »Das ist eine gute Idee, Semjon.« Pilny blickte sich um zu Irena. Sie nickte ihm stumm zu und versuchte ein ermutigendes Lächeln.
    »Das ist ganz sicher, glaube ich. Es wird bestimmt gelingen, Karel –«
    Während Irena sich in einer Waldsenke unter dichten Büschen verkroch, erkundeten Muratow und Pilny die nähere Umgebung. Was sie sahen, war ein vollkommenes Sicherungssystem, dessen Überwindung mit normalen Mitteln unmöglich schien. Niemand konnte hier einfach aus dem Wald laufen und den Todesstreifen überqueren, niemandem konnte es gelingen, sich kriechend wie ein Wurm zur Grenze zu schleichen … zwei Wachttürme, nur hundert Meter voneinander entfernt, überwachten jeden Meter Boden. Von ihnen aus konnte man mit Maschinengewehren das ganze Feld abkämmen, und dort gab es nichts, was Deckung bot, keinen Baumstumpf, keine Senke, kein Loch. Hier wurde der Mensch zur lebenden Schießscheibe.
    Zu den Wachttürmen führten Wege durch den Wald, breit genug, um mit Jeeps und Kettenfahrzeugen schnell Verstärkung heranzubringen. Fünfzig Meter von den hölzernen Riesen entfernt, duckten sich zwei Baracken unter den Bäumen, in das Gehölz hineingebaut und noch zusätzlich mit Tarnnetzen gegen Sicht von oben geschützt. In ihnen wohnten die Wachmannschaften, jeweils ein Zug Soldaten mit einem Offizier und drei Spezialgeländewagen.
    Pilny und Muratow krochen so nahe an die Baracken heran, wie die Deckung durch Büsche, hohes Gras und querliegende Baumstämme es gestattete. Ein friedliches Bild bot sich ihnen … auf einer langen Bank saßen die dienstfreien Posten, streckten die Beine von sich, hatten die bloßen Oberkörper mit Öl eingerieben und sonnten sich.
    »Russen –« flüsterte Pilny. Er schob sich dabei nahe an Muratow heran.
    »Ja, es sind Rotarmisten.« Muratow starrte hinüber zu seinen ehemaligen Kameraden. Das Bild der sich fröhlich sonnenden Soldaten zerschnitt sein Herz. Was habe ich hinter mich geworfen, dachte er. Und welche dunkle Zukunft bricht vor mir auf.
    »Sie haben die tschechischen Grenzposten durch Sowjets ausgewechselt«, flüsterte Pilny. »Das könnte unsere Chance sein. Mit unseren Uniformen werden wir sie täuschen …«
    »Warten wir es ab«, sagte Muratow und legte das Gesicht ins Gras. »Mein Gott, wir wollen es abwarten …«
    Um fünf Uhr fünfzehn – Pilny sah auf seine Uhr – tauchte die Morgenstreife auf. Es waren vier Mann mit Maschinenpistolen, ohne Helm, nur mit den Schiffchen auf dem Kopf. Sie kamen vom rechten Wachtturm, gingen zum Waldrand, blieben vor einem Baum stehen und holten aus einem Kasten ein Feldtelefon. Damit telefonierten sie zu irgendeiner Stelle und schienen etwas durchzugeben. Das Gespräch war kurz, wie eine Meldung: Streife soundso an Punkt soundso …
    »Wenn wir wüßten, was sie jetzt sagen«, hauchte Pilny gegen Muratows Ohr. Sie lagen keine vierzig Meter von der Streife entfernt und konnten alles, was die vier Russen taten, genau erkennen. Die Sonne vergoldete jetzt die Baumwipfel, Wärme fiel aus dem blauen Himmel. Es wurde ein heißer Tag.
    Die vier Sowjetsoldaten wandten sich jetzt dem Todesstreifen zu und gingen, hintereinander, Abstand jeweils drei Meter vom Vordermann, in einer merkwürdigen Schlangenlinie zum ersten Drahtverhau. Pilny stieß Muratow an. Semjon grunzte leise.
    »Die Gasse –«, flüsterte Pilny heiser vor Erregung. »Da ist die Minengasse! Wenn man es weiß, ist es ganz einfach. Der Pfad ist leicht zu erkennen! Siehst du das niedergetretene Gras? Jeden Tag zweimal gehen sie diesen Weg … wie ein

Weitere Kostenlose Bücher