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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Vaterland opfern wollen!«
    »Na und?« sagte Abadurian gemütlich. »In jedem Volk gibt es Idioten, das ist nichts Neues.«
    »Diese Märtyrer der Freiheit wird man nicht übersehen!«
    »Man wird sie! Beim ersten Verbrannten wird man entsetzt sein, beim zweiten erstaunt, beim dritten gelangweilt … und dann wird man eines Tages fragen: ›Was, heute brennt keiner? Was ist denn los in Prag?‹«
    Die Tür, durch die man den bärtigen Studenten geführt hatte, sprang wieder auf. Lautes Lachen tönte vom Flur her, dann wurde der Student in den Saal gestoßen.
    Er war nackt, das Wasser lief noch an seinem Körper herunter, und man hatte ihn geschoren. Der Bart war abgenommen, das blonde Lockenhaar abrasiert; kahlköpfig, entwürdigt, wie geschändet stand er triefend und zitternd vor den anderen. Sogar die Schamhaare hatten sie ihm abrasiert, die Haare unter den Achseln und die Brusthaare. Rote Flecken und aufgetriebene Striemen bewiesen, daß er sich mannhaft gewehrt hatte und nur der Übermacht seiner Peiniger unterlegen war. Auf einen Tisch hatten sie ihn festgeschnallt und dann alles, was haarig an ihm war, weggeschnitten.
    Major Abadurian lachte zufrieden und streckte die Hand zu dem Mißhandelten aus.
    »Sagte ich es nicht«, rief er triumphierend, »er wird glänzen wie ein polierter Mond? So sieht ein sauberer Mensch aus, Genossen … und so sauber, das verspreche ich euch, wird eines Tages dieses ganze Land sein!«
    Er drehte sich auf dem Absatz herum und verließ mit knarrenden Stiefeln den Saal.
    Zurück blieb eine dumpfe Bedrückung.
    Zum erstenmal hatte man eine andere Macht erkannt … die Macht, einen Menschen zu entmenschlichen.
    *
    Morgens um vier Uhr weckte Muratow, der die letzte Wache hatte, Irena Dolgan und Karel Pilny. Sie lagen eng nebeneinander auf ihren Rucksäcken und schliefen fest.
    »Es ist soweit«, sagte Muratow leise. »Und es ist eine gute Zeit. Über dem Land liegt Frühnebel –«
    Sie aßen noch einmal … Kekse mit Marmelade, Tee, den Irena auf dem kleinen Gaskocher aufsetzte … und waren guter Stimmung.
    »Das letzte Essen hinter dem Eisernen Vorhang«, sagte Pilny.
    Als sie aufbrachen, zum letzten, entscheidenden Gang, ließen sie alles im Hohlweg zurück, was von nun an entbehrlich war. Nur ein Rucksack, halb voll, blieb übrig … Pilny trug ihn. Muratow ging voran, die Maschinenpistole vor der Brust, so wie es sich für einen Streifenführer gehört. Noch war es dunkel, aber der Himmel löste sich schon in undeutliche Streifen auf. Nur noch ein paar Minuten, und die fahle Dämmerung glitt zusammen mit dem Bodennebel über das Land. Eine knappe halbe Stunde, die wie eine Tarnkappe war … die halbe Stunde, in der man sich die Freiheit erlaufen mußte.
    Von den Bäumen tropfte die Nachtfeuchtigkeit. Raben und Dohlen flogen auf … ab und zu knackte es neben ihnen, und sie sahen Rehe leichtfüßig ihre Wechsel entlanglaufen, dem Rand des Waldes entgegen. Dort begann eine Hochebene, dreihundert Meter breit bis zur Grenze, kahl, nur mit niedrigem Gras bewachsen, in dem sogar ein Hase sich deutlich abhob.
    Der Todesstreifen. Zwei Wachttürme. Ein Land, glatt wie ein Tisch. Ein Schießstand war's, und Menschen waren die Ziele.
    Am Ende der Ebene begann ein neuer Wald. Kurz davor zog sich der Stacheldrahtzaun entlang. Die Grenze.
    Muratow, Pilny und Irena blieben stehen. Sie blickten über das freie Feld zu dem Zaun und dem lichter werdenden Wald.
    »Dort drüben –«, sagte Pilny und schluckte. »Nur noch ein paar Meter …«
    »Sie haben zwei Zwischenzäune gezogen.« Muratow betrachtete durch das Fernglas den Todesstreifen. »Wir müßten drei Stacheldrahtverhaue überklettern … das ist unmöglich. Und die Minen? Sicherlich haben sie Minen vergraben. Da kommen wir nie durch …«
    »Was soll das heißen, Semjon?« Pilny nahm ihm das Glas ab und tastete sich durch das Gelände. Er sah nun auch die niedrigen Stacheldrahtrollen, die als doppelter Zwischenwall den Todesstreifen unüberwindlich machten. Wer den ersten Verhau hinter sich hatte, mußte am zweiten wieder den Draht überwinden … dann durch das unbekannte Minenfeld und endlich der Grenzzaun.
    Dreihundert Meter freies Schußfeld.
    »Wir müssen warten«, sagte Muratow tief atmend. »Mein Gott, wir dürfen nicht die Geduld verlieren. Denk an Irena, Karel.«
    »Nur an sie denke ich, nur noch …« Pilny setzte das Fernglas ab. Er holte die Karte aus der Uniformtasche und fuhr mit dem Finger die Grenze ab. »Überall ist

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