Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
zentnerschwer. Sie muß sofort aus Prag zurück, dachte er. Sofort! Ich kann nicht dulden, daß eine so große Aufgabe, wie sie Valentina übernommen hat, durch Gefühle gestört wird.
    Er legte die Funkmeldung in eine rote Mappe, verschloß sie in einem Panzerschrank, löschte das Licht und fuhr wenig später in seinem Moskwitschwagen nach Hause.
    *
    Frau Plachová hatte Irena Dolgan besichtigt, begutachtet und für wert befunden, mit Karel Pilny zusammenzubleiben. Vor allem ein Blumenstrauß, den Irena beim ersten Besuch für Frau Plachová mitbrachte, gab den Ausschlag. Es waren Kornblumen, selbst gepflückt am Stadtrand, nach Kladno zu, ein dicker Strauß, gebunden mit anderen Gräsern, so wie die Bauern sich ihre Blumen von den Wiesen holen. Frau Plachová hatte den Strauß genommen, das spitze Gesicht in die blauen Blüten gedrückt und war stumm weggegangen. Später fand Pilny sie in der Küche sitzen, mit verweinten Augen und zuckendem Unterkiefer.
    »Kornblumen«, sagte sie, als er etwas fragen wollte. »Jan brachte sie immer mit, wenn er mit seinem Güterzug zurückkam. Sie ist ein gutes Mädchen, Karel Pilny … du darfst sie heiraten –«
    Mit dem Umzug allerdings klappte es nicht so schnell. Irena hatte ihr Zimmer ein Vierteljahr im voraus bezahlt, und trotz langer Debatten war die Vermieterin nicht bereit, das Geld wieder herzugeben. Ein rechtskundiger Nachbar schaltete sich sogar ein und bewies, daß Irena einen Vertrag eingegangen sei, bei dessen Brechung nicht die Vermieterin den Schaden tragen könne.
    »Es geht nicht vor dem 1. September, Liebling«, sagte Irena deprimiert. »Natürlich können wir zusammenziehen … aber das Geld ist weg.«
    »Auch das überleben wir. Frau Plachová will sowieso das Zimmer neu tapezieren lassen. Die Dielen sollen gestrichen werden, die Türen und die Fensterrahmen. Sie will Gardinen und Vorhänge kaufen, ein neues Federbett und zwei Kissen. Und alles, weil du ihr Kornblumen mitgebracht hast. Wo gibt es eine zweite Bozena Plachová?«
    An einem dieser Abende trafen Irena Dolgan und Valentina Kysaskaja zum erstenmal zusammen. Auch wenn es niemand merkte … es war ein Naturereignis. Die beiden Frauen spürten es sofort, ihr Gefühl, verästelt bis in die feinsten Nerven, reagierte wie ein Seismograph bei einem Erdbeben … die Nadeln schlugen aus bis zur Explosion.
    Karel und Michael merkten es nicht. Verliebte Männer sind Trottel – das ist eine unabwendbare, biologische Wahrheit. Sie sahen auch nicht die schnellen, messerscharfen, gnadenlosen Blicke, mit denen sich Valentina und Irena begrüßten, als sie einander vorgestellt wurden.
    Das also ist Karels Wunderkind, dachte Valentina. Blond, blauäugig, langbeinig und zart. Man sagt von diesem Typus, daß er zäher ist, als er aussieht, daß er Stürme aufrecht überstehen kann und noch Kraft findet, wo andere die weiße Fahne hissen. Bist du so eine, Irena Dolgan? Wir werden es sehen. Bald.
    Sie ist verteufelt hübsch, dachte Irena Dolgan. Ihr schwarzes Haar ist wie eine Fahne, ihr Körper eine Ballung von Kraft und berauschenden Formen. Wäre ich ein Mann, ich würde verrückt nach ihr werden. Aber ich bin kein Mann, und deshalb sehe ich dich genauer, Miroslava Tichá. Ich sehe deine zuckenden Lippen, deine gierigen Raubtieraugen, deine Erbarmungslosigkeit mit allem, was dir begegnet. Welche Rolle wirst du hier spielen? Was willst du hier? Ich werde dich beobachten, du Raubtier –
    Lucek hatte Pilny in eine Ecke des Kellers gezogen und war sehr zufrieden. »Sie mögen sich«, flüsterte er. »Sie sprechen schon miteinander wie langjährige Freundinnen. Du, ich glaube, sie passen wunderbar zusammen.«
    Pilny nickte. Er war sich nicht ganz so sicher wie Lucek. Der Kellerboden dröhnte leicht, ein ständiges Zittern lag im ganzen Raum. Zwei Gewölbe weiter rumpelte die alte Druckmaschine. Die neue Ausgabe der ›Ranni cervánky‹ entstand. Drei Kommilitonen überwachten den Druck, sieben falteten die Druckbogen, denn hier gab es ja keine Falzmaschine, vier verpackten die Zeitungen zu Stapeln. Um fünf Uhr früh mußte die Auflage durchgedruckt sein … dann nahmen Fernfahrer die Zeitungen mit hinaus ins Land, schmuggelten Bahnbeamte sie mit den Zügen in alle Richtungen, trugen Milchjungen und Bäckerlehrlinge sie mit den Brötchen und den Milchflaschen in die Haushalte. Die Studenten der anderen Fakultäten kamen und holten ihre Packen ab, Rentner, die für eine Krone pro Stunde die Gefahr nicht scheuten,

Weitere Kostenlose Bücher