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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Reformer. In knappen Sätzen wurde auf ihnen den Bürgern mitgeteilt, welche Fehler die Regierung noch beseitigen müßte, um wirklich ein freies Land zu schaffen.
    »Wißt ihr, daß in ein paar Tagen die großen Manöver der Staaten des Warschauer Paktes hier beginnen?« fragte Valentina plötzlich. Lucek nickte.
    »Wir haben schon eine Aktion vorbereitet. Eine Aufforderung an die Regierung, nicht zuzulassen, daß unser Land zu militärischen Machtdemonstrationen der Sowjetunion mißbraucht wird.«
    »Das ist zu zahm.« Valentina spürte, wie sich sofort alle Blicke auf sie richteten. »Habt ihr noch nie darüber nachgedacht«, sagte sie so hastig, als erregten die eigenen Gedanken sie maßlos, »daß die Sowjets die Manöver nur zum Anlaß nehmen, unser Land zu besetzen und nie wieder hinauszugehen?«
    »Unmöglich! Das ist gegen jedes Völkerrecht.«
    »Was kümmert die Götter im Kreml das Völkerrecht?« Valentinas Arm schoß wie ein Pfahl empor und zeigte auf Pilny. »Das wäre eine Aufgabe für dich, Karel Pilny! Schreib einen großen Artikel gegen die Manöver! Sag allen, daß die Sowjets mit ihren Divisionen unser Land nur unter Druck setzen wollen, daß die Anwesenheit ihrer Panzer und Truppen die Reformen wegfegen sollen! Sie werden als Freunde kommen und sich als Feinde benehmen … schreib das!«
    »Sie denkt politisch«, sagte Lucek glücklich. »Was habe ich euch gesagt?«
    »Bin ich nicht Tschechin wie ihr?« Valentina sprang auf. Sie bebte vor Erregung und sah herrlich aus in ihrer Wildheit. »Liebe ich nicht mein Vaterland? Ich habe heute gesehen, was ihr hier tut … aber es ist zu wenig, viel zu wenig, um einen Koloß wie Rußland auch nur zu kitzeln! Man liest eure Zeitung zum Morgenkaffee wie die ›Rude Pravo‹, faltet sie dann zusammen und legt sie weg. Ihr schießt mit Schrot … aber ihr müßt mit Kanonen schießen! Jede Zeile muß sich in die Herzen einbrennen, man muß sie weiterflüstern, von Haus zu Haus, von Gasse zu Gasse, im Geschäft, im Büro, beim Friseur, an den Marktständen, überall – Du kannst es, Karel Pilny, du hast die Kraft der Sprache dazu.«
    »Ist sie nicht herrlich?« sagte Lucek verzückt. »Und recht hat sie auch. Wir waren zu allgemein. Gegen eine Doktrin hilft nur eine andere Doktrin … wir sollten sie aufstellen.«
    Es kam an diesem Abend noch zu langen Diskussionen zwischen den Studenten. Valentina hielt eine Rede, als stehe sie auf einem politischen Podium und Tausende hörten ihr zu. Sie sprach so leidenschaftlich, daß sie am Ende in Tränen ausbrach und sich erschöpft an Lucek lehnte. Donnernder Beifall belohnte sie. Der Enthusiasmus der Jugend schlug über ihr zusammen, man umarmte sie stürmisch und küßte sie auf beide Wangen.
    Dann saß sie unter den anderen, rauchte und trank Bier, und als die Zeitung ausgedruckt war, zählte sie Exemplare ab, verpackte sie zu Paketen und stapelte sie an der Kellerwand.
    Andrej Mironowitsch wird mit mir zufrieden sein, dachte sie, als der Morgen über Prag graute und die ersten Abholer der Zeitung eintrafen. Arbeiter, die zur Frühschicht fuhren und für die Fabriken ihre Exemplare mitnahmen, zwei Bahnbeamte, drei Bäckerjungen und zwei Fernfahrer, die nach Preßburg mußten.
    Valentina sah aus den Augenwinkeln hinüber zu Lucek. Er saß mit Pilny und Irena an einem Tisch und entwarf einen neuen Aufruf. Die Arbeiter hatten ihm absonderliche Dinge mitgeteilt, und auch die Nachrichtenagentur Ceteka hatte es kurz gemeldet: Sowjetische Offiziere, ein Vorkommando der Manövertruppen, spazierten durch Prag, um, wie es hieß, ›jene Stätten zu besichtigen, wo sie vor 23 Jahren, als sie Prag befreiten, gekämpft haben‹. Andere Trupps Sowjetsoldaten besichtigten Fabriken und Betriebe, Wasserwerke und Elektrizitätszentralen, den Flugplatz und die Radarsicherungen.
    »Sie sehen sich in aller Ruhe die Punkte an, die sie später besetzen könnten«, sagte Pilny, als er die Berichte zusammenstellte. Vom Funk her war er gewöhnt, schnell zu arbeiten und zu reagieren, Meldungen zu verwerten und Schlüsse aus ihnen zu ziehen. »Und das alles mit Hilfe unserer Armee und Politischen Hauptverwaltung. Ich glaube, Miroslavas Ahnungen waren richtig: Hier braut sich eine gefährliche Situation zusammen.« Er sortierte die Meldungen und griff nach einem leeren Blatt Papier. »Wir werden ein Flugblatt herausgeben: Sind die Manöver ein Dolchstoß gegen die Reformen?«
    Valentina Kysaskaja wandte sich ab und half, zwei Stapel Zeitungen

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