Bluthochzeit in Prag
einen Hintern fährt und nach tief sitzenden Hämorrhoiden tastet?«
»Du hast eine morbide Phantasie«, lachte Pilny.
»Gehen wir!« Lucek hatte es auf einmal eilig.
Sie gingen über die Straße, und Pilny winkte Valentina zu, die noch unschlüssig vor dem Gebäude stand und nicht zu wissen schien, wohin sie gehen sollte. Sie winkte sofort zurück und lachte ihnen zu.
»Die Welt wird um 20 Grad wärmer«, sagte Lucek neben Pilny. »Ich beginne zu schwitzen.«
»Welch ein Zufall!« Valentina streckte Pilny beide Hände entgegen. Sie tat sehr erstaunt und überrascht. Wer wußte schon, daß sie seit zehn Minuten am Fenster des 1. Stockwerkes gestanden und die beiden wartenden Männer beobachtet hatte? Es gelang ihr vorzüglich, die Überraschte zu spielen. »Es ist alles glattgegangen … ich bin Studentin der Medizin an der Prager Karls-Universität.«
»Wenn der Sekretär nur einen Funken Männlichkeit in sich hatte, muß er Ihren Namen mit Herzblut ins Buch geschrieben haben«, sagte Lucek. Valentina wandte langsam den Kopf zu ihm. Ihre Kohlenaugen waren tief und forschend.
Lucek atmete schneller. Unter seinen Haaren juckte plötzlich die Kopfhaut. O heiliger Wenzel, hier hatte Gott bei der Schöpfung einen verliebten Tag. Wo sieht man noch ein zweites Mal ein solches Schwarz der Haare? Welche Augen sind wie diese aus glühenden Kohlen?
Pilny beobachtete ihn aus den Augenwinkeln. Ein schwaches Lächeln glitt über sein Gesicht. »Ich muß zum Funkhaus«, sagte er und wußte, wie dankbar ihm Lucek für diese Bemerkung war. »Um 3 Uhr hole ich Irena aus dem Palais Sternberg ab … sie sitzt da vor mittelalterlichen Gemälden und stellt Stilvergleiche an …«
»So ist das!« Lucek verzog sein Gesicht. »Seine Braut lebt in vergangenen Jahrhunderten, er selbst spricht Reportagen, die fünf Minuten später vergessen sind … wie herrlich ist da die Medizin! Da bleiben wenigstens Narben zurück und beweisen, daß man etwas getan hat –«
Valentina lachte. »Ich heiße Miroslava Tichá«, sagte sie.
»Miroslava! Wie könnten Sie anders heißen!« Lucek sah demonstrativ auf seine Uhr. »Es ist schon spät für dich, Karel –«
»Ich fliege ja schon.« Pilny verabschiedete sich und rannte über die Straße zu seinem kleinen Wagen. Er sah noch, während er abfuhr, wie Lucek ungeniert Valentina unterfaßte, als seien sie sich bereits über die wichtigsten Dinge einig geworden.
»Trinken wir einen Modrany zusammen?« fragte Lucek unbefangen, als Pilny um die Ecke gebogen war.
»Am frühen Mittag schon Wein?« Valentina warf mit einem Ruck die Haare aus der Stirn. Lucek beobachtete das mit einer fast lähmenden Faszination.
»Wenn ich in Ihre Augen sehe, Miroslava, ist es Nacht um mich! Mein Gott, nennen Sie mich einen Idioten, der blödsinniges Zeug schwätzt. Sie haben ja recht … Aber mir ist jetzt nach einem Wein zumute. Ich möchte diesen Zufall unserer Bekanntschaft nicht vorübergehen lassen, ohne ihn voll auszukosten. Sagen Sie ja, Miroslava … erdulden Sie mich eine Stunde. Mich machen Sie glücklich.«
»Dann kommen Sie, Sie Student von Prag!« Valentina nahm es als selbstverständlich hin, daß Lucek sich sofort bei ihr einhängte. »Ihr Freund hatte es ja sehr eilig.«
»So ist er immer. Funkreporter. Und außerdem muß er noch einen Artikel schreiben für unsere Zeitschrift.«
»Sie haben eine Zeitschrift?« fragte Valentina unschuldig.
»Ja.« Lucek winkte einer Taxe, aber erst die vierte hielt an. »Die Reformen unserer Regierung sind nicht zuletzt zurückzuführen auf die geistigen Analysen unserer Schriftsteller und Journalisten … und uns Studenten. Das macht uns mächtig stolz, auch wenn alles noch aus dem Geheimen kommt. Aber einmal wird die Stimme der Wahrheit aus den Kellern in die Redaktionen einer freien Presse kriechen. Es dauert nicht mehr lange. Doch was rede ich. Was soll jetzt die Politik?« Er faßte Valentina an der Hand und rannte mit ihr über die Straße zu der Taxe, die auf der anderen Seite hielt. »Sie machen sich nichts aus Politik?« fragte er im Laufen.
»Gar nichts. Das ist Männersache.«
»Falsch! Aber reden wir nicht davon. Kümmern wir uns jetzt um einen guten Modrany. Und Hunger habe ich. Valentina – ich lade Sie ein zu einem gespickten Schweineschinken. Ich weiß, wo man einen bekommt, den Mozart – hätte er ihn gekannt – in einer Arie besungen hätte!«
Er hielt ihr die Autotür auf, begutachtete ihre Beine, als sich der Rock beim Einsteigen sehr
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