Bluthochzeit in Prag
hoch schob, starrte auf ihre Brüste, die sich bei diesem Blickwinkel deutlich aus dem Kleid hoben und rannte dann um den Wagen herum zu seinem Platz.
Michael, dachte er dabei. O Michael Lucek … das ist eine Frau, die du nie wieder loslassen wirst! Das ist ein Geschenk des Himmels! Du wirst doch wohl nicht Gott beleidigen, Lucek?
Das Ohr und das Auge Moskaus hatten sich etabliert. Valentina tat ein übriges … wenn der Wagen sich scharf in die Kurven legte, fiel sie jedesmal gegen Lucek, bis dieser Abhilfe schaffte und den Arm um ihre Schulter legte. Seine Finger spürten ihre kühle, glatte Haut … und zum erstenmal dachte Lucek nicht daran, aus wieviel Schichten sich eine Haut zusammensetzt und welche Krankheiten sie haben könnte. Er genoß das Gefühl unter seinen Fingerspitzen und das Pulsen von Valentinas Herz, das er über ihrem Brustansatz ertastete.
Es ist eben nicht einfach, einen Engel von einem Teufel zu unterscheiden, wenn beide eine glatte Haut haben –
*
Vierzehn Stunden später tickte in der kleinen Dachkammer das Funkgerät. Die Antenne stach dünn und lang in den fahlen Nachthimmel, in dem sich die Lichter Prags widerspiegelten. Miroslava Kysaskaja hatte den Kopfhörer übergestülpt und tippte ihren Bericht in den Äther. In einem zarten Gebilde von Nachthemd saß sie da, eingehüllt in einen durchsichtigen Hauch von Stoff, unter dem ihr nackter Körper zu leuchten schien.
Eine warme Nacht war es, wie ein Ahnen des Sommers. Eine Nacht voll Blütenduft, auch wenn er nicht bis hierher unter das Dach des alten Hauses flog. Aber Valentina roch ihn. Sie blähte die Nüstern wie ein Pferd, sie war unruhig in dieser Nacht und von einer zitternden Betriebsamkeit.
Auf der Kommode schrillte hell der Wecker. Noch zehn Minuten bis zur Sendezeit. Valentina Kysaskaja baute das Funkgerät auf.
Jetzt saß sie unter dem Fenster, die Antenne wippte in den Nachthimmel und war ein Finger, der nach Moskau zeigte.
»Hier lastotschka (Schwalbe) …« funkte sie. »Hier lastotschka … melden bitte … melden … hier lastotschka …«
Aus Moskau kam eine knappe Antwort. »Höre –«
Valentina Kysaskaja dachte daran, ob jetzt wohl Tschernowskij selbst neben dem Funkgerät im Raum III saß und die Zahlenkolonnen aufschrieb. Sie sah ihn vor sich … elegant, eine Modepuppe, ein Bolschewist im englischen Anzugschnitt, intelligent und dabei heimlich verliebt in die Kysaskaja. Oh, sie wußte es, sie deutete genau seine Blicke, und es freute sie, mit ihm, dem Genossen Oberst, zu spielen wie mit einem Jüngling, der zum erstenmal den süßen Schweiß in der Achselhöhle eines Mädchens riecht.
Valentina drehte das Gerät wieder auf Sendung. Die Zahlenkolonnen tickten in den Nachthimmel. In Moskau, 1.800 Kilometer entfernt, nahmen große elektronische Ohren sie auf und leiteten sie weiter in den Senderaum III des KGB.
In dieser Nacht saß wirklich Oberst Tschernowskij in seiner Dienststelle, aber nicht im Funkraum. Ein Funker brachte ihm die Meldung Valentinas im Klartext. Sie lautete:
Kontakt zu Karel Pilny hergestellt. Pilny verlobt mit deutscher Kunststudentin, Name: Irena Dolgan. Eltern stammen aus dem Baltikum. Infiltrierung in die Studentengruppe in den nächsten Tagen möglich, da Bekanntschaft eines anscheinend wichtigen Mitglieds dieser Gruppe gemacht. Es werden in den nächsten Wochen weitere scharfe Artikel gegen alten kommunistischen Kurs erscheinen. Ich werde versuchen, Pilny – wie Plan – zu besonders scharfen Äußerungen zu provozieren, um Eingreifen zu rechtfertigen. Die Reformer scheinen sehr gutgläubig und sicher zu sein. Bis auf die geheimen Druckorte sprechen sie offen über die Reformen. Die Stimmung auf der Universität ist revolutionär. Svoboda und Dubcek werden immer mehr zu Helden des Volkes.
Tschernowskij unterbrach die Lektüre und zündete sich eine Papyrossa an. »Blödsinn!« sagte er dabei. »Das weiß doch jeder hier. Valentina, du bist ein Schäfchen. Ich will Namen haben. Konkrete Beweise. Zum Teufel, was ist mit dir los, Täubchen?«
Er las weiter:
Übermorgen soll ich Gelegenheit erhalten, eine Geheimdruckerei der Studenten zu besichtigen. Ich melde mich dann wieder.
Nachricht für Genosse Oberst Tschernowskij persönlich: Prag gefällt mir besser als Paris. Es ist sogar möglich, daß ich mich hier verliebe. Ende. Ende.
Tschernowskij ließ das Blatt sinken. Er warf die Papyrossa weg und legte die geballten Fäuste auf den Tisch. Sein Herz war plötzlich
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