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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Schriftsteller, schon in der berühmt gewordenen Junikonferenz ihres Verbandes zu den Wortführern des liberalen Kurses geworden, traten mit einem Manifest hervor, das sich als eine Zeitbombe erweisen sollte: Ludvik Vaculik veröffentlichte in den Zeitungen ›Mlada Fronta‹, ›Prace‹, ›Zemedelske Noviny‹ und ›Literarni Listy‹ seinen Artikel ›2.000 Worte‹. 69 Unterschriften von den bekanntesten tschechischen Künstlern, Wissenschaftlern und Sportlern, darunter das Laufwunder Emil Zatopek und der Rektor der Prager Universität, Oldrich Stary, ließen aus diesem flammenden Artikel gegen den harten Moskauer Kurs einen Aufruf an das ganze Volk werden.
    Eine Flut von Briefen brach über die Zeitungen und die Regierung herein. Unterschriftslisten wurden zugeschickt, Resolutionen von Verbänden und Gewerkschaften … in wenigen Tagen lagen 40.000 Namen auf den Tischen der Redaktionen, Namen von Männern und Frauen, die mutig genug waren, sich voll hinter das Manifest zu stellen. In Wahrheit waren es 14 Millionen, das ganze tschechische Volk, das aufatmete.
    Man konnte wieder reden, was man dachte. Man durfte schreiben, was auf die Herzen drückte. Man durfte 23 Jahre dumpfen Schweigens brechen. Es war, als wenn man in einem Haus die zugenagelten Fenster endlich aufreißt, und frische Luft und helle Sonne in die vermodernden Räume fluten.
    »Na also«, sagte Tschernowskij in Moskau schadenfroh zu General Ignorow. »Was sagen Sie nun, Pawel Antonowitsch? Manöverdruck … kein Erfolg. Verlängerung der Truppenbesetzung – wie ein Furz gegen den Wind! Massive Beeinflussung der Regierungsspitzen, des Zentralkomitees, des Parteitages … wie auf den eigenen Stiefel gepißt!«
    »Sie haben das Zeug zum Lyriker«, sagte Ignorow säuerlich. »Ihre Wortkombinationen sind ergreifend.«
    »Offener Aufruhr gegen die Doktrin! Das ist ein gezielter Arschtritt für den Sozialismus.«
    »Zugegeben.« Der kleine, magenkranke Ignorow erregte sich keineswegs. »Aber was ist denn schon passiert?« sagte er. »Eine Fliege hat auf einen Spiegel geschissen. Wir gehen hin und wischen das schwarze Pünktchen mit einem großen Lappen wieder weg. Wozu so viele Worte?« Er sah Tschernowskij freundlich an. »Glauben Sie an die gewaltsame Entführung Ihres Engelchens, Andrej Mironowitsch? Ich nicht. Frauen, schöne Frauen … und dann eine solche Arbeit im Geheimdienst, – das mußte ja schiefgehen. Sie wird in einem warmen Bettchen liegen und mit ihrem Liebhaber –«
    Tschernowskij knirschte so mit den Zähnen, daß Ignorow erschrocken schwieg. »Nie!« sagte Tschernowskij rauh. »Nie! Valentina ist eine Russin durch und durch. Sie würde nie ihr Vaterland verraten.«
    Er verließ wütend das Zimmer. So gegenteiliger Auffassung er auch in bezug auf die Frauen war, so tief saß der Stachel, den der General ihm eingeschossen hatte: In Prag ist ein Mann, der Valentina beherrscht. In Prag hat sie vergessen, eine Russin zu sein. Berlin, London, Rom, Belgrad und sogar Paris hat sie schadlos überstanden … in Prag muß sie unter die Räder kommen.
    In seinem Dienstzimmer erwartete ihn der Funker aus der Abteilung III. Seinem Gesicht war anzumerken, daß er etwas Außergewöhnliches brachte. Er hielt einen Zettel von sich, als stänke er.
    »Ein Funkspruch aus Prag!« sagte er, als Tschernowskij ins Zimmer stürmte. »Von der Kysaskaja.«
    »Nein!« Tschernowskij machte fast einen Luftsprung und riß dem Funker das Papier aus der Hand. Dann las er die wenigen Zeilen und angelte sich einen Stuhl. Der Funker hatte dafür Verständnis, erwartete keine weiteren Befehle und entfernte sich lautlos.
    Der Funkspruch lautete:
    Prag, 11.21 Uhr. – Ich bin allein und habe endlich Zeit, mich zu melden. Mir geht es wie in dem Märchen von den tausend Rosen. Ich bin die Prinzessin, die von jeder Rose geküßt wird. Ich bin glücklich. Nur mein Herz blutet, wenn ich an Rußland denke. Verzeihen Sie mir, Andrej Mironowitsch … aber ich liebe – Ende.
    Tschernowskij stöhnte, zerknüllte den Zettel in seiner Faust und warf den Papierball gegen die Wand.
    »Ich liebe –«
    Gegen diese Macht versagte die gesamte bolschewistische Weltanschauung … eine Erkenntnis, die Tschernowskij um Jahre altern ließ.
    *
    Die großen Manöver der Warschauer-Pakt-Staaten in der Tschechoslowakei waren offiziell beendet … aber die sowjetischen Truppen blieben im Lande. Sie lagen, gut getarnt, in den Wäldern … im Erzgebirge, am Rande der Hohen Tatra, im dichten

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