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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Böhmerwald entlang der Grenze zur Deutschen Bundesrepublik und überall in einsamen Waldstücken, wo man nur an den Rauchsäulen, die über den Baumwipfeln schwebten wie sinnlose Nebelwolken an einem Sommertag, erkannte, daß sich hinter dem Dickicht Panzer und Lastwagenkolonnen, Kompanien von Rotarmisten und Spezialeinheiten mit fahrbaren Riesenantennen verborgen hielten. Batterien von Schnellfeuergeschützen und selbstfahrenden Raketenabschußbasen versanken unter Tarnnetzen. Wer durch das Land fuhr, sah wohl das reifende Korn, aber selten einen sowjetischen Soldaten. Ein trügerischer Friede lag über diesen Sommertagen –, am besten merkten es die Bauernmädchen, wenn sie abends ohne Männerbegleitung von der Arbeit kamen. Dann standen an unübersichtlichen Wegbiegungen lachende und winkende Rotarmisten.
    So wurde es Ende Juli.
    Frau Plachová hatte Wort gehalten … das Zimmer neben Pilny war neu tapeziert und gestrichen worden, und eines Tages sagte Frau Plachová zu Irena, die nun jeden Abend bei Karel saß, Radio hörte, das Fernsehprogramm ansah oder in ihren Kunstbüchern studierte: »Los, wir gehen einkaufen! Wollt ihr in kahlen Räumen wohnen? Ich habe 4.000 Kronen auf der Bank –, wir wollen ein paar notwendige Möbel kaufen.«
    Es half nichts, daß Irena und Pilny Frau Plachová beschworen, ihr Geld auf der Bank zu lassen. Sie rechneten ihr vor, daß Pilny vom Rundfunk einen Kredit erhielt, wenn er heiratete, daß man auf Raten kaufen könne und daß auch aus Deutschland etwas Geld, kommen würde, wenn sich Irenas Vater erst einmal beruhigt hatte. Das war es nämlich, was Irena seit Wochen bedrückte. Sie hatte gleich, als sie sich ihrer Liebe zu Karel Pilny bewußt wurde, nach Hause geschrieben und alles genau geschildert. Nun wartete sie auf eine Antwort … aber sie kam nicht. Der alte Dolgan schwieg verbissen. Seine Tochter liebte einen Kommunisten. Wer konnte die Welt noch verstehen?
    Schweigen lag zwischen Prag und Braunschweig. Die Generationen hatten sich getrennt –, ihre Stimmen zerflatterten über dem Abgrund, der sie auseinanderriß. Die Vernunft erreichte sie nicht mehr.
    Frau Plachová, ein Genie im Aufspüren seelischer Komplikationen, erkannte das genau. »Kredit. Auf Raten! Geld aus Deutschland! Ich habe 4.000 Kronen, die sind da, die sehe ich, die sind sicher. Alles andere ist Rederei. Anziehen, Irena Dolgan! Wir kaufen Möbel!«
    Und sie taten es.
    Als erstes kaufte Frau Plachová ein komplettes Schlafzimmer. »Ruhe!« rief sie, als Irena protestierte. »Was heißt hier: eine Couch? Eine Couch ist zum Sitzen da … richtig lieben kann man nur in einem Bett.« Und als Irena rot wie eine Tomate wurde und sich vor der Verkäuferin im Möbelgeschäft genierte, schüttelte Frau Plachová ärgerlich den Kopf. »Ein Wohnzimmer haben wir doch –, das Zimmer von Karel Pilny. Was nötig ist, ist ein Doppelbett. Himmel, man soll doch den Selbstverständlichkeiten ins Auge sehen. Sind wir Nonnen, he? Wenn zwei junge Menschen zusammenleben, gibt es nichts Besseres als ein Bett.«
    Sie probierte neun Schlafzimmer aus, legte sich auf die Matratzen, ließ sich auf und nieder fallen und prüfte alles sehr genau.
    Nach dem Schlafzimmer, das aus einem fünftürigen Schrank, einer Frisierkommode, zwei Nachttischen, einer Herrenkommode und dem getesteten Bett bestand, suchte Frau Plachová noch einen Teppich aus, Gardinen und Vorhänge, Lampen und einen Spiegel. »Sie liefern das alles übermorgen«, sagte sie streng. »Kommt es einen Tag später, werfe ich Ihre Transporteure die Treppe hinunter.«
    Irena Dolgan schämte sich, und doch war ihr in diesen Tagen Frau Plachová wie eine Mutter. Vor allem abends, wenn Karel Pilny im Funkhaus war und Nachrichten sprechen mußte oder in aktuellen Sendungen mitwirkte, überkam sie das ganze Elend ihrer Verlassenheit.
    Ganz anders dagegen verlief das Leben Valentina Kysaskajas.
    Michael Lucek hielt sie in dem alten Haus inmitten des verwilderten, romantischen Parkes verborgen. Am Tage besuchte er seine medizinischen Vorlesungen und Seminare, am Nachmittag und an den Abenden trafen sich die Freunde im Keller der Geheimdruckerei oder – einzeln einsickernd – in dem großen, leeren Haus. Die Nächte aber gehörten Valentina und Micha allein. Dann schlug das Glück über ihnen zusammen und sie begriffen nicht, wie sie es hatten ertragen können, lange, lange Stunden dieses Tages nicht einander zu sehen oder zu fühlen.
    Nach dem ersten Taumel, der immerhin

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