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Bluthochzeit in Prag

Bluthochzeit in Prag

Titel: Bluthochzeit in Prag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Zeiten.
    Als die Schwester kam, um dem Verletzten ein Glas Fruchtsaft zu bringen, fand sie das Bett leer und das Fenster – das Zimmer lag im Erdgeschoß – offen.
    Und zu allem erhielt Tschernowskij nun auch noch den Glorienschein, ein Held zu sein, der sich wieder in die Schlacht gegen die Russen stürzte.

VII
    Karel Pilny und Irena Dolgan erreichten Prag um die Mittagsstunde.
    Ihre Fahrt von Teplitz war wie ein Alptraum gewesen. Nachdem die sowjetische Division durch die Stadt gerollt war und nur einige Spezialtrupps zurückließ, die vor allem das Fernsprechamt besetzten und im nahe gelegenen Wald einen Funkmast aufrichteten, fuhren Pilny und Irena auf Nebenstraßen und Feldwegen neben den russischen Panzern her, überholten sie und setzten sich dann an die Spitze der Kolonne.
    In den Dörfern und Kleinstädten, die sie durchrasten, standen die Menschen schon auf den Straßen. Aus den Fenstern flatterten die Nationalfahnen, die Männer warteten, verbissen und mit geballten Fäusten, auf den Plätzen.
    »Ist es wahr?« schrie man Pilny zu, der mit offenen Fenstern und heulendem, überdrehtem Motor die Nacht durchbrach. »Kommen sie wirklich?«
    »Gleich sind sie da!« brüllte Pilny zurück. »Macht keine Dummheiten, Leute! Wehrt euch nicht! Es hat keinen Sinn! Sie kommen wie im Krieg. Denkt daran, daß wir klüger sind als sie! Ballt die Fäuste in den Taschen … und dann handelt! Wer von den Sowjets hierbleibt … kein Essen, kein Wasser, kein Wort mit ihnen! Zeigt ihnen, daß sie Luft sind! Sie sollen an unserer Kälte erfrieren!«
    Dann raste er weiter durch die Nacht. Nach Prag. Zum Funkhaus! Zu den Freunden.
    Wie sah es jetzt in Prag aus? Würde die Armee in den Kasernen bleiben? Was taten die Prager?
    Pilny sah auf seine Uhr. 7.30 Uhr morgens.
    In einem Dorf hielt er an. Auf dem Marktplatz standen die Leute, aus einem Radio schallte die Stimme des Nachrichtensprechers über ihre Köpfe.
    »… wir sehen sie auf uns zukommen! Panzer, Infanterie. Auf der Straße singen die Menschen die Internationale. Wir bleiben im Studio, bis man uns herausholt. Eben sagt man uns, daß es Tote gegeben hat. Eine Frau und ein Kind sollen getötet worden sein. Kurz vor unserem Funkhaus verbrennt ein Panzer …«
    Pilny starrte Irena aus großen, zitternden Augen an. »Sie stellen sich gegen die Panzer –« sagte er mit bebender Stimme. »Mit den bloßen Händen. Und wir sind hier auf der Landstraße und tun nichts.«
    Er sprang wieder in den Wagen, und weiter ging die Hetze über die Straße. Kurz vor Prag wurden sie angehalten. Sowjetische Motorräder sperrten die Chaussee. Es waren die Truppen, die seit zwei Uhr nachts mit den riesigen Antonow-Transportern auf dem Flughafen Ruzyne gelandet waren, dem Prager Flugplatz, den in Zivil gesteckte Spezialtruppen im Handstreich erobert hatten. Nun kontrollierten sie die Straßen nach Prag, schrieben jede Autonummer auf, nahmen die Fotoapparate weg und beschlagnahmten Ferngläser, Tonbandgeräte und Transistorradios. Sie taten es mit unbeweglicher Miene, auch wenn sie angeschrien und – wie es mehrmals geschah – von vor Wut glühenden Tschechen angespuckt wurden.
    Pilny ließ es nicht darauf ankommen, daß man ihm die ganze Funkausrüstung aus dem Wagen riß. Er schaltete den Rückwärtsgang ein, ehe noch ein Russe ihn heranwinken konnte, und brach über einen Seitenweg aus. Er hörte, wie man hinter ihm her schrie, das berühmte »Stoj! Stoj!«, vor dem ein Russe wie gelähmt stehenbleibt und sich in sein Schicksal ergibt. Denn Stoj ist ein Wort Gottes … nichts kann man dagegen tun. Man will ja weiterleben, Genossen.
    »Sie schießen!« schrie Irena, die auf dem Sitz kniete und nach hinten sah. »Sie heben die Maschinenpistolen!« Sie ließ sich zurückfallen und duckte sich. Auch Pilny beugte sich tief über das Steuerrad und trat das Gaspedal ganz durch. Der kleine Skoda schoß über den Feldweg und erreichte ein Waldstück, bevor die erste Garbe surrend an ihnen vorbeiflog.
    »Das hätten wir!« sagte er, als sie in Sicherheit waren. »Nun müssen wir nur einen Weg finden, der in die Stadt führt.«
    Gegen Mittag hatten sie die Moldau erreicht. Über Troja, vorbei am Zoologischen Garten, sickerten sie ein. Die letzte Strecke fuhren sie sogar zwischen sowjetischen Nachschubwagen. Die jungen Rotarmisten hockten in den Lastern auf Bänken und winkten Irena zu, grinsten breit und machten Witze. Noch wußten sie nicht, was sie in Prag erwartete. Vor einer Stunde waren sie

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