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Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Blutholz: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Blutholz: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Liebert
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Atem gehalten, flog für Barbara die Zeit dahin. In den drei Wochen Absetzzeit musste sie den Winterschnitt bewältigen. Die verholzten Ranken und Triebe abzuhauen, machte ihr diesmal mehr Freude, bereitete ihr dafür aber zusätzliches Kopfzerbrechen. Sollte sie dieses Jahr auf die Menge schauen oder auf die Qualität? Letzteres bedeutete, den Zuchtruten wenig Knospen zu lassen, eine Entscheidung, die für ihr Vorhaben sicher am vorteilhaftesten war. Aber dies bei ihrem kleinen Besitz? Würde sie dann noch genug Wein keltern können? Schließlich entscheid sie sich für die Qualität. Elbling und Räuschling mussten ganz besonders herhalten, mit dem Weißburgunder ging sie großzügiger um. Beim Ruländer setzte sie hingegen auf etwas mehr Ertrag.
    In der zweiten Märzwoche war es dann soweit. Ihre Cuvée kam in die schweren Flaschen à l’anglais , und wie Monsieur Ruinart vertraute Barbara auf ein Gemisch aus Rohrzucker, Wein und Traubenmostkonzentrat, eine gesättigte, mit drei kleinen Löffeln Zucker angereicherte Süßlösung, um die Flaschengärung einzuleiten. Ende Mai würde sie beendet sein, genug Zeit also, um sich wieder ganz den Rebarbeiten widmen zu können, abgehauenes Rebholz auflesen, Roggenstrohbänder zum Anheften der Schosse einweichen, Zuchtruten zum Bogen ziehen, Rebstecken anspitzen und einschlagen, Rebe anbinden, Hacken, überflüssige Austriebe am Bogen verbrechen.
    Während dieser Zeit, zu Ostern, besuchte sie Bernward. Einmal, wie er vorgab, um über den Stand seiner Bemühungen um ihr Amsterdamer Guthaben Rechenschaft abzulegen, das andere Mal, wie er vorlaut zugab, um sich an ihrer Schönheit zu erfreuen. Barbara hatte ihm sein etwas verunglücktes Auftreten als Postillon de mort verziehen, und seine Komplimente taten ihr wohl wie einer vertrocknenden Pflanze das Wasser. Schließlich war sie kein welkes Weib, sondern in den frischesten Jahren, noch keine einundzwanzig Jahre alt. Bernward machte ihr dies auf die charmanteste Art deutlich. Nicht aufdringlich, aber zuweilen doch so zutraulich, dass es sie einige Mühe kostete, Riecke nicht gegen sich aufzubringen. Denn wenn es um das Trauerjahr ging, war mit der Haushälterin nicht zu spaßen. Am liebsten wäre sie mit dabei gewesen, als der Justitiar Barbara in seinem offenen Wagen nach Breisach und Freiburg ausfuhr. Barbara musste schwören, auch nicht den kleinsten, harmlosesten Kuss zuzulassen und zog Riecke zu Gefallen sogar ihr schwarzes Schulschwesternkleid an, um nach außen den Schein der trauernden Witwe zu wahren. Bernward war alles recht, solange er Barbara für sich allein hatte. Fröhlich gab er zu, dass die Anstandsschranken auch gewisse eigentümliche Reize hätten. Eine kecke Nonne neben sich zu haben, sehe in Wahrheit ja viel verruchter aus, als mit einer aufgeputzten Jungfer durch die Lande zu kutschieren.
    Die vier Tage vergingen bei dem prächtigen Wetter wie im Flug. Man schmauste auswärts, verging sich jeden Abend an einer Flasche Ruinart, und Barbara musste immer wieder versprechen, im Sommer einen Gegenbesuch zu machen, selbstverständlich mit Riecke, denn es läge nicht in seinem Interesse, die treue Haushälterin seines ehemals besten Freundes gegen sich aufzubringen. Riecke war hochzufrieden, als Barbara ihr dies mitteilte und lobte Bernward dann doch als durch und durch guten Kerl.
    Barbara war es gar nicht unrecht, dass Bernward es bei seinem Besuch darauf abgesehen hatte, sie auch zu umwerben. Freilich hütete sie sich, ihm auf kürzere Zeit Hoffnung zu machen. Klug genug war sie allerdings, ihn mit all ihren Reizen zu umgarnen und ihn im Glauben zu wiegen, irgendwann doch einmal von ihnen kosten zu dürfen. Aber sich gleich wieder zu binden? Mit Bernward verhielt es sich letztlich wie mit Cees. Er war höchst liebenswert, aber sie liebte ihn nicht. Im gleichen Alter wie Cees wirkte er bei allem Humor und aller Fröhlichkeit noch ein Stück gesetzter, altväterlicher. Mit Cees hätte man Pferde stehlen können, Bernward hätte stehlen lassen und dies vor Gericht dann verteidigt. Dies war der Unterschied. Nein, fürs erste wollte sie die Hoffnung nicht aufgeben. Verstand zu haben und sie absichern zu können, waren das eine, ihr Herz und Sinnlichkeit zu entzünden, das andere. Vielleicht führte ihr das Schicksal ja doch noch einen Märchenprinzen zu, der dies alles in sich vereinte.
    Zum Abschied sagte Bernward nicht ohne Ernst, er würde warten können, weil er nun einmal wisse, dass nur er der Richtige für

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