Bluthunde
Ding wiegt ´ne Tonne, du Witzbold!«
Das Sofa lag auf dem Rand. Stück für Stück ruckten die beiden Männer die Couch Richtung Schlund. Die eiserne Presse hatte das eine Ende des Möbelstücks gepackt und zog es krachend und splitternd immer tiefer hinein in den Fahrzeugbauch.
»Noch ein bisschen! Schieben! Weiter! Weiter! W…« Dem Blonden blieben die Worte im Hals stecken. Mit entsetzt aufgerissenen Augen deutete er ins Maul.
»Mein Gott«, murmelte sein Kollege und drückte den dicken, roten Notknopf. Die Trommel kam sofort knirschend zum Stillstand. Eine Strebe des Sofas knackte, dann war nur noch das Bimmeln der Bahn zu hören. Der Stämmige schluckte, als er sich vorsichtig in den offenen Schlund der Müllpresse beugte, aus dem die hintere Hälfte der Klappcouch herausragte.
»Was macht ihr Trottel da hinten?«, regte sich vorne Kai Uwe auf. Er hüpfte aus dem Führerhaus, knallte die Tür hinter sich zu und humpelte nach hinten ans Fahrzeug. »Mann, Mann, Mann! Was drückt ihr den Notknopf? Ich habe doch gesagt … Ach du heilige Scheiße, was ist das denn?«
Stämmig und Blond wollten nicht gleich antworten. Irgendwie fehlten ihnen auch die Worte. Kai Uwe fiel auch nichts ein, und er starrte mit offenem Mund in die Trommel. Und auf den schrecklichen Inhalt, den die zusammengequetschte Klappcouch preisgab.
Aus dem Kasten unter der Sitzfläche der Couch ragte ein blutverschmierter Körper hervor. Halb hatte die Müllpresse den Körper schon in sich reingezogen und angenagt. Nur der rote Aus-Knopf hatte im allerletzten Moment verhindert, dass die Presse das tote Fleisch rot und fransig in zwei Teile getrennt hatte. In diesem Moment gab der letzte Rest Stabilität der ehemaligen Wohnzimmerzierde nach. Der hintere Teil der Couch samt Kasten rutschte auf die Straße, ein totes Paar Beine baumelte kraftlos im Freien.
»Scheiße«, flüsterte Kai Uwe, und die Kippe fiel ihm aus den Fingern.
Erst hatte Struller einen Dienstwagen nehmen wollen, aber ein Blick auf die allmorgendliche, chaotische Verkehrssituation hatte ihn bewogen, die Kiste stehen zu lassen. Die Jungs in Uniform hatten ein Auto mit Blaulicht, mussten schließlich in die gleiche Richtung, da sollten sie sich den Weg schon freisirenen. Als das nach zehn Minuten auch genau so geklappt hatte, hatte sich seine Laune trotzdem nicht verbessert. War sowieso Kacke, wenn der Tag schon morgens anfing. Im heutigen Fall: schon vor dem Wachwerden. Dienstbeginn war erst um halb acht. Dass die Toten sich das nicht merken konnten!
Außerdem lag ein Gewitter in der Luft. Und das Anfang Mai! Struller wischte sich mit seinem karierten Stofftaschentuch den Vorgewitterschweiß aus dem Nacken und warf einen Blick auf dieses unwirkliche Bild. Schon wieder so ein doofer Tatort. Eine Leiche in einem Müllwagen, das Ganze in unmittelbarer Nähe einer der größten S-Bahn-Stationen mit den dazugehörigen Tausenden von Pendlern, die bei passender Gelegenheit gerne mal zu Schaulustigen mutierten.
»Morgen«, grüßte Struller den Dienstgruppenleiter, der ihn auf der anderen Seite des rot-weißen Flatterbandes empfing.
»Morgen.« Der Polizist deutete auf den Müllwagen. »Erinnert mich an diesen Science-Fiction-Film mit Charlton Heston. Da haben sie die Toten auch mit Müllwagen abtransportiert und ›Soylent Grün‹ draus gemacht.«
Struller checkte die Lage. Ein orangefarbener Müllwagen mit rotweißen Warnstreifen und Presse. Der Schlund zur Presse war mit einem weißen Laken abgedeckt. Struller trat ans Laken und lüftete den Stoff. Eine halbe Couch, ein ganzer Toter.
»Männlich. Schätzen wir mal«, erklärte der Dienstgruppenleiter. »Das Gesicht steckt auf der anderen Seite des Schneidblattes. Das Pressblatt hat ihn in Brusthöhe erwischt, da dürfte der Kopf halbwegs unversehrt sein.«
Struller nickte. »Ich liebe es, wenn die Köpfe halbwegs unversehrt sind.«
»Dann ist das ja schon fast ein Glücksfall.«
»Würd ich nun auch nicht so sagen«, brummte Struller und deckte den Toten wieder zu. »Wir haben einen fetten Fall am Laufen, und da wird mir noch eine Leiche aufs Auge gedrückt, weil wir unterbesetzt sind und der Rademacher Urlaub hat. Der Rademacher hat immer Urlaub, wenn es was zu arbeiten gibt. Der ist im Bayrischen Wald. Dem werde ich zu Hause mal ein paar Scheiben einwerfen.«
Der Dienstgruppenleiter nickte verständnisvoll. »Das da sind die drei Männer von der AWISTA, die die Kiste gefahren und den Mann im Sofa gefunden
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