Blutige Asche Roman
mit dem Futter und den Teststreifen für den pH-Wert des Wassers, mit der Filterwatte, den Spurenelementen und der Bürste zum Beseitigen der Algen. Kein Logbuch. Dafür fand ich eine Anleitung für den Eiweißabschäumer. »R. Boelens« stand in ordentlicher Handschrift auf der ersten Seite.
Boelens war der Mädchenname meiner Mutter. Aber ihr Vorname war Ageeth und ihr zweiter Vorname Antonia. A. A. Boelens. Nicht R. Boelens. Mein Opa und meine Oma hatten Jan und Truus geheißen. Soweit ich mich erinnern konnte, hatten sie keinerlei Interesse an Tieren gehabt.
»Kein Logbuch«, sagte ich zu Aron. Nicht, dass er verstand,
was ich meinte. »Sollen wir ins Bücherregal schauen? Und in den Flurschrank? Oder was hältst du von den Küchenschränken? Und wenn wir dort auch nichts finden, weißt du, was wir dann machen?« Ich hob Aron hoch und drückte seine Nase an meine. »Dann gehen wir in Omas Geheimzimmer nachsehen, was meinst du?«
»Kinkon. Ich will Kinkon sehen.«
»Vielleicht finden wir noch aufregendere Dinge als einen toten Fisch.«
Ich entdeckte das Logbuch in der obersten Schublade der Wohnzimmerkommode. Auch darauf stand in derselben Handschrift der Name »R. Boelens«. Ich blätterte es flüchtig durch. Das Logbuch wurde bereits seit 1990 geführt. R. Boelens hatte neun Jahre lang alles penibel notiert, was mit dem Aquarium zu tun hatte. Die Anschaffung der Fische, den Salzgehalt des Wassers, die Temperatur. Mitte 1999 änderte sich die Handschrift. War das nicht das Jahr, in dem das Aquarium auf wunderbare Weise bei meiner Mutter aufgetaucht war? Auch in der neuen Handschrift hatte man weiterhin die Anschaffung sowie den Tod der Fische und die verschiedenen Messungen notiert. Sie war allerdings bedeutend unordentlicher.
Ich hatte noch nie etwas von einem R. Boelens gehört. Ein Onkel, der ins Altersheim gezogen war? Vielleicht hatte meine Mutter das Aquarium auch von jemandem mit demselben Nachnamen übernommen. Wie dem auch sei, merkwürdig war es schon.
Um halb sieben - ich fütterte Aron gerade mit einem Brei aus Kartoffeln und Prinzessböhnchen - stand Herr van de Akker vor der Tür.
»Ach, herrlich«, sagte er ehrfürchtig, als stünde er in einer Kirche. »Wirklich eines der beeindruckendsten Meeresaquarien der Niederlande in Privatbesitz. Tsss. Ich weiß noch genau, dass es 1997 den ersten Preis des Niederländischen Vereins der Salzwasseraquarianer gewann. Ehrlich gesagt, war das Aquarium damals wirklich in Topform. Aber es ist immer noch fantastisch.«
»Es wurde bei Ihnen gekauft, nicht wahr?«
»Ja«, sagte er stolz. »Er war einer meiner treuesten Kunden. Sie sehen ihm ähnlich. Aber Ihr Sohn ähnelt ihm noch mehr.«
»Kinkon«, sagte Aron, der hinter mir hergetrippelt war. »Kinkon to-hot.«
»Wem? R. Boelens?«
»Tja.« Van de Akker starrte kurz vor sich hin. »Schrecklich, was da passiert ist. Schrecklich.« Er machte einen Schritt auf das Aquarium zu und betrachtete eine der Seeanemonen. »Haben Sie das Logbuch da?«
Ich gab ihm das Heft mit dem festen Einband. Natürlich wollte ich fragen, was da genau passiert war, aber das schien nicht der richtige Moment zu sein.
Van de Akker sah sich die letzte Seite an. »Die Werte sind gut. Wie ich sehe, wurden vor anderthalb Monaten frische lebende Steine eingesetzt. Kurz darauf ist auch ein kleiner Freund gestorben. Das lässt unter Umständen auf eine Verunreinigung des Wassers schließen. Aber in diesem Fall müssten auch andere Fische in Mitleidenschaft gezogen worden sein.«
Er zückte ein Thermometer oder so etwas Ähnliches und steckte es ins Wasser. Auf einem Display las er das Resultat ab. »Der Salzgehalt des Wassers ist in Ordnung. Daran kann es also nicht liegen.«
»Wollen Sie King Kong sehen?«
»Kinkon sehen«, sagte Aron nachdrücklich.
»Ja, du darfst King Kong auch sehen. Wenn du aufgegessen hast. Also erst zurück an den Tisch.«
»Nein.«
»Doch.«
»Nein!«
Ich packte ihn am Arm und setzte ihn in sein Stühlchen. »Erst aufessen, dann sehen wir uns King Kong an.« Ich sprach ruhig und freundlich, wie eine gute Mutter.
Das Telefon klingelte. Ich ging dran, hörte aber nur ein lautes Knacken. Bestimmt meine Mutter. »Hallo?«, sagte ich mehrmals. Ein hohes Piepen war die Antwort. Ich legte den Hörer zurück auf die Gabel.
Inzwischen war Aron aus seinem Stuhl geklettert und zum Aquarium gelaufen. »Nein!«, sagte ich bestimmt. »Erst aufessen.« Ich hob ihn hoch und setzte ihn wieder in seinen
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