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Blutige Asche Roman

Titel: Blutige Asche Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Pauw
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Kontakt zu dir aufzunehmen?«
    »Nein.«
    »Warum nicht?«
    Ich zuckte die Achseln. Ich wollte diese Fragen nicht beantworten, einmal ganz abgesehen davon, dass ich die Antworten nicht kannte. Trotzdem gab ich mir Mühe. Weil Rosita es wichtig fand.
    »Du musst unbedingt rausfinden, wer er ist. Du musst doch wissen, wo du herkommst? Das ist doch dein gutes Recht? Annas Vater, zum Beispiel. Er ist ein Arschloch, aber Anna kennt ihn wenigstens. Hast du deine Mutter gefragt, wer er ist?«
    Ich zögerte. »Nein«, sagte ich dann.
    »Aha. Du willst es mir nicht sagen, stimmt’s? So ist es
doch.« Sie legte ihre Hand auf meine Wange und brachte ihr Gesicht ganz nah vor das meine. Ich roch ihr süßes Parfüm, vermischt mit Zigarettenrauch. Es war schön und beängstigend zugleich. »Wir sind Freunde. Das weißt du doch? Ich bin auf deiner Seite. Sieh mich an.«
    Ich riss mich von der Kuhle zwischen ihren Schlüsselbeinen los und sah ihr so lang in die Augen, wie ich konnte.
    »Das ist schon viel besser. Du brauchst keine Angst zu haben. Ich tu dir doch nichts, Dummerchen.«
    »Ich bin nicht dumm.«
    Sie ließ mein Gesicht wieder los. »Natürlich nicht, mein Schatz. Du bist nicht dumm. Kein bisschen. Du bist vielleicht sogar der normalste Mensch, dem ich je begegnet bin, kapiert?«
    Ich nickte.
    »Du kannst mir vertrauen, Ray. Warum sollst du mit deinen Problemen allein sein. Erzähl mir einfach davon. Was ist mit deinem Vater passiert?«
    »Er ist abgehauen.«
    »Das wissen wir schon. Wer ist er? Wo ist er hingegangen? Und wann?«
    »Wir müssen froh sein, dass mein Vater abgehauen ist, denn ich hab wahnsinnig viel geschrien, hat meine Mutter gesagt.«
    »Babys schreien nun mal. Du hättest Anna sehen müssen, die schrie mehr oder weniger Tag und Nacht. Das hat mich ganz wahnsinnig gemacht. Glaub mir, Ray, alle Babys schreien, und alle Mütter werden davon wahnsinnig, selbst Spießermütter, die so tun, als ob sie perfekt sind. Das Schreien hört irgendwann auf. Ehe du dichs versiehst, können sie krabbeln und sprechen, und dann wird alles leichter.«

    Ich sah Anna an. Sie schaute sich einen Zeichentrickfilm an.
    »Wenn dich dein Vater im Stich gelassen hat, weil er das Schreien nicht aushielt, ist er ein Schlappschwanz. Das hat nichts mit dir zu tun.«
    »Ich will Anna einen Fisch schenken«, sagte ich. »Ich will Anna einen schönen großen Fisch schenken, weil es ihr gefällt, die Fische anzusehen. Dann hat sie auch einen.«
    »Das ist lieb von dir. Aber ich lass mich nicht ablenken. Wer ist jetzt dein Vater? Was hat dir deine Mutter über ihn erzählt?«
    Ich hatte meine Mutter schon mal nach meinem Vater gefragt. Irgendwann musste mir aufgefallen sein, dass die meisten Nachbarskinder und Mitschüler einen Vater hatten, mit dem sie Fußball spielen konnten und von dem sie bestraft wurden. Wir saßen beim Essen, und ich fragte: »Warum habe ich keinen Vater?«
    Meine Mutter erstarrte und kaute dann weiter. »Du hast einfach keinen.«
    »Aber warum nicht?«
    »Darum. Aber darüber musst du nicht traurig sein, Ray. Sei froh, dass er nicht da ist. Was glaubst du wohl, wie dein Vater reagieren würde, wenn du den Kopf gegen die Wand haust? Oder wenn du im Supermarkt einfach anfängst zu kreischen, weil du dich nicht an der Fleischtheke vorbeitraust, obwohl du schon sieben Jahre alt bist. Was würde dein Vater wohl dazu sagen, dass du deine Exkremente an die Wände schmierst? Oder deine Kacke in der Vorschule einmal einfach aufgegessen hast? Meinst du, deinem Vater hätte das gefallen?«
    Aber diese Sachen konnte ich Rosita unmöglich erzählen. »Keine Ahnung«, sagte ich deshalb nur.

    Sie zog die Augen schmal. »Du weißt es ganz genau«, sagte sie. »Aber wenn du mir nicht vertraust …«
    Ich wollte nicht, dass sie wütend auf mich wurde. Ich versuchte, mir verzweifelt etwas auszudenken, womit ich sie zufriedenstellen konnte. Aber ich besaß nicht viel Fantasie. »Meine Mutter war sehr jung. Gerade mal einundzwanzig. Und mein Vater … ihn hat es nie gegeben.«
    Rosita zündete sich eine neue Zigarette an und rauchte mit ausladenden Gesten. »Ich werd ganz krank von diesen Männern, die ihre Frauen einfach im Stich lassen. Sie denken immer nur ans Ficken. ›Ein Kondom fühlt sich doof an‹, sagen sie dann. ›Damit spüre ich weniger.‹ Weißt du, wann man wirklich wenig spürt? Wenn das Kind durch deinen Geburtskanal gepresst wird. Aber das ist schließlich nicht ihr Problem. Das ganze Kind ist nicht ihr Problem.

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