Blutige Asche Roman
minderbemittelten Männern ganz zu schweigen, die es in Ordnung finden, ihre Frauen zu misshandeln, nur weil sie das in Ihren Filmen vorgeführt bekommen. Sie haben wirklich nicht die leiseste Ahnung, welchen Schaden Sie anrichten.«
»Wie bitte? Meine Güte sind Sie spießig, engstirnig und besserwisserisch.«
»Und Sie sind ein narzisstisches, opportunistisches, gewissenloses Arschloch.«
Während ich das sagte, ging die Tür zum Besprechungsraum auf. »Ist es nicht gut gelaufen?«, fragte Lode mit gerunzelter Stirn. Er eilte ins Zimmer. »Alles in Ordnung, Meneer van Benschop?«
Auch das noch. »Es lief ausgezeichnet. Meneer van Benschop wollte gerade die Champagnerkorken knallen lassen, stimmt’s?«
»Das klang aber anders«, sagte Lode. Er legte van Benschop die Hand auf die Schulter. »Ereifert sich Mevrouw Kastelein gerade ein wenig?«
Ich gab van Benschop keine Gelegenheit, darauf zu antworten. »Weil ich gerade ein paar unhöfliche Dinge gesagt habe, meinen Sie? Machen Sie sich nichts draus. Im Gegenteil, betrachten Sie es als Hymne an die Unterwerfung … oder wie haben Sie das gleich wieder genannt, Meneer van Benschop?«
Pissing Peter schwieg, sah aber ziemlich wütend aus.
»Ich sehe schon, Sie wollen das Thema lieber nicht weiter vertiefen. Mir soll’s recht sein. Ich werde Ihnen die Unterlagen noch heute fertig machen und Ihnen zur Unterschrift
zuschicken. Danach gehen Sie an die Gegenseite, einverstanden?«
»Prima«, sagte Lode hastig. »Schön, dass du die Sache so schnell zu Ende bringst, Iris. Gut gemacht. Vielleicht gibst du Herrn van Benschop und mir jetzt Gelegenheit für ein abschließendes Gespräch.«
Ich verließ den Raum, ohne sie noch eines Blickes zu würdigen.
Ich tippte wie eine Besessene, um die Schriftstücke fertigzustellen. Ich war zugegebenermaßen nicht ganz bei mir.
Ich hätte mich beherrschen müssen. Ich hätte die Achseln zucken und gehen sollen. Oder aber den Fall abgeben müssen. Aber so hatte ich keins von beidem getan. Das war nicht gut für meinen Job. Zum Glück hatte ich einen unbefristeten Vertrag.
Ich nahm mir vor, mich in nächster Zeit bedeckt zu halten.
22
Ich sah Rembrandt zum ersten Mal im Garten wieder. Seit kurzem durfte ich bei der Gartenarbeit helfen. Einige Patienten besaßen einen eigenen Gemüsegarten. Oder sie pflanzten Blumen. Ich schnitt die Hecken.
In dem mittleren Innenhof der Hopperklinik gab es viele Hecken. Nicht umsonst wurde er auch Klein-Versailles genannt. Die Hecken waren im Viereck gepflanzt worden. Von den Ecken gingen Diagonalen aus, die wiederum in ein kleineres Viereck mündeten. In diesem Viereck stand die Statue eines nackten Mannes, obwohl er einen Lendenschurz trug. Unten ohne verboten - das galt auch für die Gartenskulpturen.
Alle zwei Wochen durfte ich die Hecken stutzen. Wenn auch unter Aufsicht. Denn Patienten mit Heckenscheren musste man im Auge behalten.
Ich freute mich immer auf den Tag, an dem ich die Hecken schneiden durfte. Ich musste dabei immer an die Koningin Wilhelminastraat denken. An damals, als ich noch Arbeit hatte. Als ich Rosita und Anna noch hatte. Als ich zwar auch oft allein, aber nie so einsam gewesen war wie jetzt.
Ich hatte die zweite Hecke gerade zur Hälfte fertig, als ich sah, dass Rembrandt den Innenhof betrat. Man hatte ihn vor einigen Tagen aus der Isolationshaft entlassen, und seitdem war es mir gelungen, ihn zu meiden.
»So, Reetje«, sagte er. Er warf eine Zigarettenkippe auf den
Rasen. Ich nahm mir vor, sie sofort zu entfernen, nachdem Rembrandt aus meinem Blickfeld verschwunden wäre.
»Reetje. Was hör ich da für Sachen? Du bist wohl ganz verrückt nach der blonden Fotze? Nach, wie heißt sie noch gleich, Janneke?«
Ich schwieg und schnitt weiter. Buchsbaumzweige fielen auf den Boden. Eins, zwei, drei. Eins, zwei, drei. Bei drei ließ ich die Schere durch die Äste schneiden.
»Du findest sie doch scharf, oder?«
Eins, zwei, drei. Eins, zwei, drei.
»Weißt du, was du tun musst? Du musst sie dir einfach krallen. Sie will das auch, das sieht doch jeder.«
Eins, zwei, drei. Eins, zwei, drei.
»Das schaffst du doch? Du bist doch ein richtiger Mann?«
Ich hörte auf zu schneiden und sah mich nach meinem Betreuer um. Der unterhielt sich mit einem Kollegen. Ich hoffte, er würde hinschauen und Rembrandt wegschicken. Wusste er denn nicht, dass man Patienten mit Heckenscheren genau im Auge behalten muss?
Rembrandt kam noch einen Schritt näher. »Du musst dich hinter
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