Blutige Asche Roman
bitte?«
»Sie haben ja keine Ahnung, wie viele Drogen hier reingeschmuggelt werden. Deshalb ist es bei uns Usus, die Bewohner nach dem ersten Besuch von draußen zu überprüfen.«
»Ich habe bestimmt keine Drogen mitgebracht«, sagte ich.
»Das glaube ich Ihnen gern. Ehrlich gesagt, kommt mir die Sache auch komisch vor. Rays Urin war nämlich zu hundert Prozent in Ordnung. Die meisten User haben nicht die Geduld, bis nach der Kontrolle zu warten. Die rauchen oder schniefen das Zeug sofort weg. Außerdem habe ich bei Ray noch nie etwas gesehen, was auf Drogenmissbrauch hinweisen würde.«
»Ich kann beschwören, dass die Drogen nicht von mir stammen«, sagte ich noch einmal. Ich fühlte mich verladen.
»Angesichts der großen Menge Kokain, die bei ihm gefunden wurde, geht man davon aus, dass Ray mit Drogen gedealt hat.«
»Das glaubt doch niemand. Sehen Sie sich den Mann doch mal an!«
»Er ist tatsächlich nicht der Typ, aber täuschen Sie sich nicht: Man weiß nie, wie es in den Leuten aussieht. Man wird den genauen Hergang mit Sicherheit untersuchen lassen. Wie dem auch sei, es kann gut sein, dass Sie auf die schwarze Liste gesetzt werden.«
»Das ist ja absurd! Ich habe nichts damit zu tun. Wirklich nicht.«
»Sie können der Klinikleitung einen Brief schreiben.«
»Und wenn ich seine Anwältin werde, ändert das was?«
»Wenn Sie seine Anwältin sind, dürfen Sie ihn so oft besuchen, wie Sie wollen.«
»Wie praktisch.«
»Gut. Ich rate Ihnen, sich in diesem Fall offiziell als seine Anwältin anzumelden. Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen die Formulare durchfaxen.«
»Gern. Sie glauben mir doch? Dass ich die Drogen nicht eingeschmuggelt habe?«
Schweigen. »Ich glaube Ihnen«, sagte er schließlich.
»Gut.«
»Füllen Sie die Formulare aus, und faxen Sie sie zurück. Ich gebe Ihnen Bescheid, wann die Genehmigung für ein uneingeschränktes Besuchsrecht durch ist. Meist dauert das ungefähr drei Tage.«
»Danke.«
»Und vielleicht sollten Sie auch ein Gespräch mit mir einplanen, wenn Sie das nächste Mal kommen. Dann kann ich Ihnen etwas mehr über Rays Freud und Leid in der Hopperklinik erzählen.«
»Das wäre schön.«
»Bis bald also.«
Mir fiel auf, wie ruhig ich mich fühlte, obwohl Mos Neuigkeiten alles andere als beruhigend waren. Dealte mein Nachbar, das Monster, mit Drogen? Oder hatte man ihn in eine Falle gelockt?
26
Ein paar Tage, nachdem ich Annas Vater die Reifen aufgestochen hatte, stand Rosita vor meiner Tür. Von meinem Platz hinter den dunkelroten Vorhängen hatte ich sie bereits kommen sehen, mich aber schnell hinter den Doppelfalten - die laut meiner Mutter »einfach mehr hermachen« - versteckt.
»Ich weiß, dass du da bist!«, rief sie durch den Briefschlitz, nachdem sie dreimal geklingelt hatte. »Mach auf, ich will mit dir reden.«
Eine Pause entstand. Dann: »Ich bin dir nicht böse. Wirklich nicht.« Wieder eine Pause. Sie rief: »Ich warte hier so lange, bis du aufmachst, verstanden?«
Ich ging in den Flur. Draußen war es zu kalt, um sie bis morgen früh warten zu lassen, wenn ich das Haus verließ und zur Arbeit musste.
Da stand sie. Mit einem kurzen Röckchen und Stiefeln, die andere zum Motorradfahren tragen. Deshalb fragte ich: »Fährst du Motorrad?«
Sie brach in schallendes Gelächter aus. »Natürlich nicht, Dummerchen, das ist jetzt Mode.«
Ich verzieh ihr, dass sie mich »Dummerchen« nannte, so froh war ich, dass sie mich anstrahlte.
»Darf ich reinkommen?«, fragte sie anschließend.
»Wo ist Anna?«
»Die ist mit meinem Stiefvater in einen Spielzeugladen gegangen. Darf ich jetzt reinkommen oder nicht?«
»Äh, ich denke schon.« Ich ging hastig voran und rückte die Kissen auf dem Sofa gerade.
»Meine Güte, hier ist es aber aufgeräumt. Warum sind wir eigentlich immer bei mir? Bei dir ist es viel gemütlicher. Du hast sogar Kerzen auf dem Tisch! Aber du zündest sie nie an. Wozu hast du sie dann?«
»Meine Mutter findet das gemütlich.«
»Es ist gemütlich, wenn man sie anzündet. Komm, wir ziehen die Vorhänge zu, damit es etwas dunkler wird. Hast du Feuer?«
Noch bevor ich etwas sagen konnte, hatte sie schon ihr Feuerzeug gezückt. »Los, mach sie zu.«
Während ich die zu den Sofakissen passenden Vorhänge zuzog - auch die hatte meine Mutter für mich ausgesucht -, zündete sie die Kerzen an. Danach setzte sie sich aufs Sofa.
»Siehst du, wie gemütlich das ist, Ray?« Im Kerzenlicht sah ihr Gesicht noch schöner aus als sonst.
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