Blutige Asche Roman
diesbezüglich nicht mehr so sicher. Jetzt, wo Leute ihretwegen in meinem Zimmer gewesen waren und alles durchwühlt hatten.
»Wer war in meiner Zelle?«
»Ich«, sagte Janneke. »Und ein Wachmann. Aber das spielt eigentlich keine Rolle.«
Janneke konnte ich ertragen. Sie roch gut und hatte kleine Hände. Aber mit dem Wachmann und seinen großen Händen tat ich mich schwer.
»Zu meiner großen Enttäuschung haben wir das hier gefunden.« Sie hielt eine Tüte hoch, die weißes Pulver enthielt. Kokain, ich hatte es oft genug im Fernsehen gesehen, aber auch im Gefängnis. Allerdings nie in so einer großen Tüte. Mein ehemaliger Zellengenosse hatte mir damals mal seinen Vorrat gezeigt. Das Tütchen war so klein gewesen, dass er es zusammengerollt in seinem Nasenloch verstecken konnte, auch wenn das bestimmt schmerzhaft war. »Das Schöne daran ist …«, hatte er gesagt, »… je mehr du davon nimmst, desto mehr Platz entsteht in deiner Nase, wo du das Zeug aufbewahren kannst, weil dir deine Nasenscheidewand langsam wegfault.« Er hatte laut gelacht, und ich hatte mir die Ohren zugehalten, denn sein Gelächter machte mich wahnsinnig.
Und jetzt hielt Janneke eine Tüte Pulver in der Hand.
»Wem gehört das?«, fragte ich. »Das passt doch in keine Nase.«
»Auf einmal nicht, nein«, sagte Janneke.
»Wie kommt das in meine Zelle?«, fragte ich.
»Das möchte ich gern von dir wissen.« Sie lehnte sich zurück und verschränkte die Arme.
»Keine Ahnung. Das Zeug gehört mir nicht.« Meine Gedanken begannen zu verschwimmen. Ich versuchte mir etwas einfallen zu lassen, suchte nach den richtigen Worten. Ich suchte sie überall, aber sie waren nirgendwo zu finden. Deshalb sagte ich noch mehrere Male: »Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht. Ich weiß es nicht.«
»Wir gehen nicht davon aus, dass die Drogen von selbst in deinem Zimmer aufgetaucht sind«, sagte Janneke. »Du enttäuschst mich, Ray. Von dir hätte ich wirklich etwas anderes erwartet.« Sie sah mich direkt an, während meine Gedanken und Hände in alle Richtungen davonstoben.
Ich wusste nicht mehr, was ich tun sollte. Meine Mutter wüsste Bescheid. Aber die hatte gesagt, dass ich keinen Kontakt mehr zu ihr aufnehmen dürfe.
»Wir werden ein paar deiner Privilegien einschränken müssen, bis du bewiesen hast, dass wir dir vertrauen können. Die nächsten vier Wochen bleibst du auf deinem Zimmer, und die Gartenarbeit fällt aus.«
Ihre Worte drangen langsam zu mir durch. Die Hecken. Ich durfte meine Hecken nicht mehr schneiden. Es war doch immer dasselbe! Sie werfen dir die schrecklichsten Dinge vor und nehmen dir das Liebste weg, das du hast. Rosita und Anna. Meine Fische. Und jetzt das.
»Nicht die Hecken«, sagte ich. »Auf dem Zimmer bleibe ich gerne, das finde ich gar nicht so schlimm. Aber nicht die Hecken. Ich habe nichts getan. Die Drogen gehören mir nicht. Wirklich nicht.«
»Die Drogen wurden auf deinem Zimmer gefunden, Leugnen ist zwecklos. Du weißt, das spricht nur gegen dich«, sagte Janneke. »In einem Jahr und sieben Monaten bekommst du ein neues Gutachten. Dann prüfen wir unter anderem, ob Patienten ihre Fehler eingesehen und sich gebessert haben. Diese Patienten bekommen die Chance, in die Gesellschaft zurückzukehren. Aber nicht diejenigen, die weiterlügen und nichts dazulernen wollen.«
Lernen? Was ich bisher gelernt hatte, war, dass es keine Rolle spielte, was man sagte oder tat. Die anderen fanden immer
einen Weg, dich reinzulegen. Ich wollte nichts mehr hergeben. Mit noch weniger kam ich nicht aus.
»Ich habe keine Drogen auf meinem Zimmer. Die muss jemand anders dahin getan haben. Als ich in den Topf pinkeln musste, während die Frau ohne weißen Kittel dabei war, was ich übrigens auch nicht wollte. Das war jemand anders. Ich war das nicht.«
»Es tut mir leid«, sagte Janneke. »Mir wäre es auch lieber, es wäre ein anderer.«
Ich hatte ihr das Rezept für La Souche gegeben, und sie nahm mir meine Hecken weg. Ich wurde wütend. Sehr wütend. »Nicht den Garten!«, sagte ich mit überschlagender Stimme. »Siehst du denn nicht, dass man mir alles genommen hat!«
»Beruhige dich, Ray.«
Aber das machte mich nur noch wütender. Ich wollte Janneke packen, sie schütteln, wie meine Mutter das mit mir gemacht hatte, als ich ein kleiner Junge war und nicht auf sie hörte.
»Nicht den Garten!« Jetzt schrie ich. Ich schrie nicht so sehr Janneke und den Wachmann an, sondern die ganze Welt. Vielleicht
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