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Blutige Fehde: Thriller (German Edition)

Blutige Fehde: Thriller (German Edition)

Titel: Blutige Fehde: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stuart Neville
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Jacke los und war schon aus der Tür, bevor O’Driscoll wieder wie ein Häufchen Elend auf den Boden sank. Als der Nomade den Flur entlangmarschierte, blitzte für einen kurzen Moment in ihm noch einmal das Bild des Jungen mit der Kalaschnikow und der Zeitung auf, die verschwommene Momentaufnahme einer Begebenheit, die er nicht recht einordnen konnte.

88
    Schweigend und mit herunterhängenden Armen stand Fegan im Salon. Von der anderen Seite des Raumes starrte ihn Ronan an, immer noch die überflüssige Pistole in der Hand.
    Fegan wusste, dass er mit fünf schnellen Schritten eher bei dem anderen sein konnte, als dass der würde reagieren können. Er konnte ihm die Waffe entwinden, bevor Ronan auch nur daran denken konnte abzudrücken. Aber was dann? Besser, hier stehenzubleiben und abzuwarten.
    Etwa zehn Minuten standen sie nun schon so herum. Kein Wort war zwischen ihnen gefallen, seit er in den Salon geführt worden war. Fegan schloss die Augen und entspannte sich einen Moment lang. Plötzlich blitzte in seinem Kopf grell das Bild eines Zeitungsfotos auf. Eine Sekunde später war es wieder verschwunden, zurück blieb nur ein Gestank von brennendem Fleisch. Schweiß stand auf seiner Stirn. Ein ekelerregender Kloß lag schwer in seinem Bauch und drehte ihm fast den Magen um. Er schluckte heftig. Ein plötzlicher Schüttelfrost durchfuhr seinen ganzen Körper und ließ ihn zittern wie ein überanstrengtes Pferd.
    Als Fegan schließlich wieder die Augen öffnete, sah er in der offenen Tür Orla O’Kane stehen. Etwas huschte über ihr Gesicht. Fegan erkannte es sofort wieder, wie einen verlorenen, aber unvergessenen Bruder. Es war die reine, nackte Angst, das einzige Gefühl, das Fegan mit einem Blick identifizieren konnte.
    »Kommen Sie«, sagte Orla und wandte ihre Augen von Fegan ab.
    Ronan bedeutete Fegan, Orla in die Empfangshalle zu folgen. Fegan gehorchte, froh, dass sich endlich etwas tat, dass er die Sache hinter sich bringen konnte. Der Schläger schloss hinter sich die Tür und folgte ihnen durch die Halle bis zur Treppe.
    Auf dem Weg nach oben begann Fegans Herz schneller zu schlagen. Die Treppe führte zunächst auf eine Galerie, machte dann kehrt und öffnete sich zu einem umlaufenden Lichthof mit einer bleiverglasten Decke. Das hindurchscheinende Morgenlicht warf orangefarbene, grüne und rote Muster an die Wände. Als Orla die Galerie im ersten Stock erreichte, wandte sie sich nach rechts und folgte einem Flur, der in den Ostflügel führte. Ronan packte Fegan an der Schulter und stieß ihn hinter ihr her.
    Von dem Flur ging ein halbes Dutzend Zimmer ab, doch Orla hielt auf die Doppeltür am Ende des Ganges zu. Mit übertriebener Grandezza machte sie die Tür auf und trat ein. Fegan betrat das Zimmer. Ein schwacher Geruch menschlicher Exkremente stieg ihm in die Nase. Er hielt inne, aber Ronan stieß ihn weiter. Als unter seinen Füßen Plastikfolie knisterte, blieb er stehen.
    »Hallo, Gerry«, sagte O’Kane und öffnete die Lippen zu einem schiefen Lächeln. Bull saß in einem Rollstuhl und war von der Hüfte bis zu den Füßen in eine Decke gehüllt. Der Stuhl hatte eine hohe Rückenlehne. Bulls Gesichtshaut hing schlaff herab. Glasige, krank aussehende Augen blickten aus dunklen Höhlen, die Wangen waren eingefallen und hohl. In einem Mundwinkel hing ein Speicheltropfen.
    Der Rollstuhl wurde von zwei Männern flankiert. Einen von ihnen erkannte Fegan wieder. Ben O’Driscoll, der während seiner Haftzeit im Maze auch kurz dort eingesessen hatte. Er hatte die Statur eines Boxers, mit wulstigen Pranken, einem feisten Leib und breiten Schultern. Der zweite Mann allerdings war aus einemganz anderen Holz, einem, das ihn weitaus gefährlicher machte. Mittelgroß, drahtig, tote Augen. Ein Killer. Selbst über den unangenehmen Gestank hinweg, der in der Luft lag, konnte Fegan es geradezu riechen. Er war sich sofort sicher, dass dies der Mann war, von dem der Barmann Tom ihm erzählt hatte. Der Mann, der sich in den letzten Tagen in Belfast herumgetrieben hatte.
    Der Größe nach zu urteilen, war dieses Zimmer vermutlich eine Art Aufenthaltsraum für die Patienten des Sanatoriums, allerdings hatte man offenbar in aller Eile sämtliche Möbel an die Wände geschoben. Aufeinander gestapelte Resopaltische standen neben Stapeln von vinylbezogenen Stühlen, darüber hingen Landschaftsbilder aus der Umgebung von Drogheda. Die gesamte Etage war leer, abgesehen von den sechs Personen, die sich hier auf einer

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