Blutige Küsse und schwarze Rosen
ummauert, als sie ihn schleppend vorwärts trugen. Direkt auf das Buch zu, das stumm dalag und ihn zu sich rief. Er sank auf seine Knie und betrachtete die handschriftlich gefüllten Seiten. Es war eine sehr schöne, verschnörkelte Schrift, aus der Nicos Name förmlich herausstach.
Mit klammen Fingern begann er zu lesen:
Nicos Verwandlung ist endlich vollständig abgeschlossen. Seine Sinne sind ausgezeichnet entwickelt und weisen keinerlei Verzögerungen hinsichtlich der Entfaltung auf. Auch sein Vertrauen uns gegenüber ist sicher, er ist somit seelisch an uns gebunden. Beste Voraussetzungen für das Ritual des Tsaurîn. Um mögliche Komplikationen zu vermeiden, werden Melchior und ich alle benannten Punkte der Opferung no chmals durchgehen. Jeder Fehler wäre unverzeihlich. Wir müssen ungeachtet dessen handeln, bevor Nico –
Ein Knarren ließ Elias mitten im Satz innehalten. Bestürzt sah er zur Öffnung in der Steindecke hoch, durch die er gekommen war. War das das Kirchentor gewesen? Waren Melchior und Elisabeth zurück? Sie durften ihn unter keinen Umständen hier sehen! Nicht, nachdem er dieses Buch gefunden hatte!
Eilig trat er unter den Durchlass. Wie Elias aus der Krypta zurück nach oben gelangen sollte, hatte er sich vorher nicht überlegt. Er wusste nicht, ob er es überhaupt schaffen würde. Nun blieb ihm keine andere Wahl als der Praxisversuch.
Die Knie angewinkelt, sammelte er alle Kraft, die er aufbringen konnte. Und obwohl seine Beinmuskulatur stärker als je zuvor war, hatte die tagelange Hungerkur ihre Spuren hinterlassen. Doch es blieb keine Zeit mehr.
Elias stieß sich vom Boden ab. Seine Fußgelenke katapultierten den Körper wie Sprungfedern in die Höhe und ließen ihn unsanft neben dem Altar landen. Mit rasender Panik balancierte er sein Gleichgewicht aus und rappelte sich hoch. Melchior und Elisabeth durften nicht erfahren, dass er hier gewesen war. Sie würden sofort wissen, dass er mehr gesehen hatte, als für seine Augen bestimmt war.
Kaum war die lose Steinplatte zurück an ihrem ursprünglichen Platz, und Elias lautlos zwischen den Sitzbänken verschwunden, schwang die große Tür des Kirchenschiffs auf. Aus dem Vorzimmer kamen Elisabeth und Melchior herein.
Mit fast schmerzhafter Anspannung bis in die Zehnspitzen kauerte Elias am Boden. Er nahm nur an Atemzügen, was ihn vor einer Ohnmacht rettete, und bewegte nicht einen einzigen Muskel – zu riskant war es, gehört zu werden.
„Als ob wir noch länger warten könnten! Wovon redest du überhaupt? Nico ist zwar dumm genug; der andere Narr hingegen misstraut uns bereits! Sie entgleiten uns!“
„Elisabeth, das ist nichts, was man ohne Weiteres wiederholen kann, wenn es schiefgeht. Sollten wir auch nur einen winzigen Fehler begehen, ein einziges Mal scheitern …“
Elisabeth unterbrach ihren Gefährten aufgebracht: „Wir werden nicht scheitern! Das dürfen wir nicht! Aber wenn wir es nicht bald tun, kommt erneut etwas dazwischen! Das schaffe ich nicht. Ich kann nicht länger warten!“
Liebevoll nahm Melchior sie von hinten in den Arm.
„Ist gut … Du hast mein Wort, Liebste“, flüsterte er und gab Elisabeth einen Kuss auf den Hinterkopf. „Wir werden nicht länger warten müssen. Du wirst nicht länger warten müssen. Darauf gebe ich dir mein Wort …“
Sie standen keine zwei Meter von Elias entfernt. Ein Blick in seine Richtung und er flog auf. Ein winziger Ton von ihm und sie würden ihn entdecken …
Es schienen Ewigkeiten zu vergehen, bis die beiden endlich an den Altar traten, das Loch im Boden freilegten und darin verschwanden.
Dann musste alles ganz schnell gehen.
Als Elias die Landung der zwei Körper auf dem Grund der Krypta hörte, sprintete er zum Ausgang. Die Luft rauschte geräuschvoll an seinen Ohren vorbei. Noch nie war er so schnell gerannt.
Seine Füße trugen ihn mit übermenschlicher Kraft zu Nicos Wohnung. Wenn jemand Elias gesehen haben sollte, würde derjenige nun mit größter Wahrscheinlichkeit an seinem Sehvermögen zweifeln – doch das war Elias egal. Er musste zu Nico. Er musste mit ihm reden, bevor die anderen Vampire ihn aufsuchten. Gegen die beiden hatte sein Freund nicht die geringste Chance!
Als Elias bei ihm Sturm klingelte, ließ ihn das Gefühl nicht los, zu spät gekommen zu sein. Elisabeth und Melchior waren stärker und mit Sicherheit auch schneller als er. Was, wenn sie ihn überholt hatten und längst hier waren? Wenn sie ihm gleich die Tür
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